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Beitrag 19 von 192

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PERSÖNLICHE ERINNERUNG:
  • AutorIn: Gilgi Guggenheim
  • Geburtsjahr: 1973
  • Wohnort: St. Gallen
  • Land: Schweiz
  • Erstpublikation:
    Jüdisches Museum Hohenems, Februar 2004
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Gilgi Guggenheim

Im Flugzeug / 1980 - 1989

bild

im Flugzeug
für Mimi, von Gilgi
Das Bild ist nicht wirklich im Flugzeug!
Ich habe mich nur mit meinem Vater an der Bahnstation fotografieren lassen.
Da er jemandem ein Bild von sich schicken musste.
Und mein Vater ist nicht gut rausgekommen!
Und darum hab ich ihn weggeschnitten!
Und er liess sich nochmals fotografieren!
Auf Wiedersehen und erinnere Dich an mich!

Das Dokument ist nie bei Mimi in Haifa angekommen. Wahrscheinlich landete es versehentlich auf meinem Pult, in einem Papierberg, welcher schon eine Woche nach Ankunft in der Schweiz mir bis zum Kinn reichte.

Ich war acht Jahre alt und hatte noch nicht begriffen, dass es mir irgendwie gelungen war, Israel mitgenommen zu haben. Erst später ist es mir abhanden gekommen.

Es begann das Scheitern, im Versuch mir die neue Heimat anzueignen. Wie in jenem Skilager, als ich anstatt auf der Piste mit dem Sessellift zum Tal fuhr. Die Angst ausgeschlossen zu sein, ließ mich einem Schulmädchen anschließen, welche an einer christlichen Jugendgruppe teilnahm. Ich bat sie, mich bei der Gebetsrunde einfach auszulassen. Doch als sie hätte übernehmen sollen, blieb sie still. Und dann die beklemmenden Sekunden als sie sagte: "Du könntest doch auch einfach beten!"

Später wurde ich zur Familie meines ersten Freundes eingeladen. Da nicht gesungen wurde, machte der Weihnachtsbaum einen eher tristen Eindruck und es fiel mir nichts besseres ein, als "Oh Tannenbaum" anzustimmen. Das große Staunen ließ mich meine Tat alsbald bereuen.

Die Anstrengung zur Integration in eine Kultur, die nicht meine ist, begleitete mich bis in mein künstlerisches Schaffen. Neun Jahre lang schuf ich Bilder und Installationen von Schweizer Bergen und Lawinen, bis ich mich endlich durchringen konnte, das Meer zu malen.

Es war das Meer, an dem ich saß und durch einen Strohhalm blies, um Gott zu vergrößern.

Damals war ich so klein wie meine vierjährige Tochter. Sie möchte dieses Meer endlich sehen, denn sie glaubt, wir bräuchten keine Arche Noah, um dorthin zu gelangen. Sie glaubt, der Pharao sei schon längst tot und eine Öllampe könnten wir ja mitnehmen.

Bald werde ich ihr neue Geschichten erzählen. Vom Lamm, das zum Wolf geworden ist.

Dann werden wir Mimi besuchen. Sie erinnert sich an mich.

Gilgi Guggenheim, geboren 1973 in Haifa , lebt seit 1981 in St. Gallen. Diverse Studienaufenthalte, unter anderem in Florenz, Den Haag und Köln. Seit 1993 freischaffende Künstlerin (Zeichnung, Malerei, Installation, Konzept und Kunstpädagogik), Ausstellungen im In- und Ausland, kuratorische und vermittelnde Projekte, unter anderem als Gastdozentin an der FHS Rorschach.

Eine von 43 Geschichten aus dem Buch "So einfach war das."
© Jüdisches Museum Hohenems.

Gilgi Guggenheim für WGMSG, 16.3.2006

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