Dann kamen aber die Amerikaner noch früher, und somit standen die Geschütze in die falsche Richtung. Man drehte daher die Geschütze um und richtete sie gegen Enns, wobei natürlich klar ist, dass Enns von Ennsdorf aus nicht besonders gut zu beschießen war. Jetzt hatten sich die deutschen Einheiten daher an den Waldrand entlang der Eisenbahn nach Mauthausen zurückgezogen und dort die Geschütze in Stellung gebracht. Ein Granatwerfer und kleinere Geschütze blieben als zweite Stellung in Ennsdorf zurück.
Ursprünglich handelte es sich hierbei um eine Wehrmachtseinheit, deren Oberleutnant angesichts des Vorrückens der Amerikaner den Befehl gegeben hatte, sich nach Steyr zurückzuziehen. Als die SS daraufhin anordnete, die Stellung zu halten, weigerte sich der Oberleutnant, weshalb er standrechtlich erschossen wurde.
Die SS nahm dann in den letzten zwei Tagen mit ihren eigenen Einheiten den Kampf gegen die Amerikaner auf. Damals befand sich der Feuerwehrkommandant Watzek in Ennsdorf, und er gab mir in den 50er Jahren seine Aufzeichnungen aus jener Zeit, die ich hier nicht vorenthalten möchte.
Über den 5. Mai 1945 schreibt er folgendes: "Zirka vier Kompaniezüge, Infanterie zur Besetzung der Feldbefestigung in Ennsdorf, werden abgezogen und durch Waffen-SS ersetzt. Die Ennsbrücke wird zur Sprengung vorbereitet. Ein Offizier der in Ennsdorf stationierten Flakbewegung wird wegen Befehlsverweigerung erschossen.
Samstag, 6. Mai 1945: Amerikaner auf Enns in Anmarsch. Am Stadtturm wird eine weiße Fahne gehisst. Zirka 13 Uhr erscheinen die ersten amerikanischen Panzer vor der Stadt. Zur gleichen Zeit rückt ein starker Verband der OT ab (OT: Organisation Todt, 1938 für den Bau militärischer Anlagen gegründet. Die OT war vor allem mit der Instandsetzung zerstörter Brücken, Eisenbahnen und Straßen beschäftigt. Die OT verfügte Ende 1944 über 1,36 Millionen Zivil- und Zwangsarbeiter von Ennsdorf).
Setzt jedoch vorher das Barackenlager der Genesungskompanie oberhalb des Ortes in Brand. Dasselbe wird von der Ortsfeuerwehr sofort bekämpft und lokalisiert. Sämtliche militärischen Stützpunkte in und um Ennsdorf von SS besetzt. Diese trifft fieberhafte Vorbereitungen zur Verteidigung, baut zusätzliche Ari-Befehlsstände (Ari = Artillerie, Anmerkung des Interviewers) und Funkstationen auf; und zwar im Garten des Hauses Nr. 78. MP-Stände werden arriviert. Die Nacht auf Sonntag verläuft verhältnismäßig ruhig.
An der Waldperipherie gegen St. Valentin sind Feldgeschütze sowie Flak-Batterien (Flak = Fliegerabwehrkanone, Anm. d. Interviewers) postiert, welche am Sonntag, dem 7. Mai von 8 Uhr morgens von der amerikanischen Ari vom Ennser Schlossberg aus gut eingesehen werden konnten und unter Feuer genommen wurden. Amerikanische Beobachter im Flugzeug ständig im Raum über Ennsdorf. Gefecht dauert tagsüber an. Granaten heulen über Ennsdorf hinweg. In den Mittagsstunden bereits Einschläge im Ort selbst.
7.Mai 1945, 15 Uhr: SS und Ami-Offiziere treffen sich Mitte der Ennsbrücke zwecks Verhandlungen, selbe wurden jedoch ergebnislos nach 10 Minuten abgebrochen. Ab 19 Uhr schweres Granatwerferfeuer direkt in den Ort, welches besonders an den Häusern Nr. 78, 16, 17 und im Bereich der Funk- und Beobachtungsstände arge Verwüstungen anrichtet. Jedoch auch einige Häuser an der alten Landstraße müssen daran glauben.
Artilleriefeuer dauert bis 24 Uhr in unverminderter Heftigkeit an. Plötzlich Feuerpause. Starke Abteilung der Amis versucht über Ennsbrücke nach Ennsdorf vorzustoßen, wird jedoch durch MG-Feuer zur Umkehr gezwungen. Hierauf neuerlich gesteigerter Granatwerferbeschuss von amerikanischer Seite bis gegen 2 Uhr früh. Die SS aus Ennsdorf zog sich an die Waldperipherie zurück und nimmt von dort aus den Ort unter Feuer, welches die Amerikaner sofort erwidern und um 3 Uhr in Ennsdorf eindringen und den Ort besetzen. Amerikanische Patrouillen suchen nach versteckten deutschen Soldaten und Waffen. Sicherstellung von Uhren und Schmuck in den Häusern.
Dienstag, 9. Mai, 24 Uhr: Russische Panzer erscheinen in Ennsdorf, Amerikaner gehen über Brücke nach Oberösterreich zurück. In der folgenden Zeit leidet die Bevölkerung unter der Plünderung, Misshandlung und Vergewaltigung."
Soweit der handschriftliche Bericht des Feuerwehrkommandanten Watzek, der damals übrigens im erwähnten Haus Nr. 78 wohnte.
Dieser Beitrag ist den Nachkriegserinnerungen von Johann Zauner entnommen, die uns von unserem Kooperationspartner Dietmar Heck zugänglich gemacht wurden.
Johann Zauner war ab 1945 zunächst als Gemeindebediensteter in Ennsdorf tätig, von 1960-1998 war er durchgehend Bürgermeister von Ennsdorf.
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