Studium mit Fahrrad und Bleistiftabsatz / Herbst 1955

- 1959, am Ende meines Studiums
Ab Herbst 1955 studierte ich in Graz. Mein erstes Zimmer hatte ich in Andritz. Es war dunkel, feucht, schwer heiz- und erreichbar. Nach 3 Monaten konnte ich nach Maria Grün übersiedeln. Eine Mieterin des Hauses verbrachte den Winter in München, eine schwerhörige Mieterin mit Hund wurde in den Semesterferien von einem Lastwagen überfahren, sodaß ich den Rest des Jahres in einem unbewohnten Haus ohne jeden Komfort wohnte. Den Kachelofen heizte ich nur an den Tagen, die ich zuhause verbrachte, daher fror das Wasser in meiner Waschschüssel in kalten Nächten ein. Freundlicherweise half mir eine Nachbarin mit den notwendigsten Gebrauchsgegenständen des Alltags (Besen, Bügeleisen, etc.) aus. All meine Wege erledigte ich mit dem mir zur Verfügung stehenden Fahrrad meiner Mutter, um die Kosten für die Tramway zu sparen. Umso erfreulicher war die Übersiedlungsmöglichkeit, die mir ein Zimmer in Uninähe brachte. Trotz Kochverbot, Kopfwaschverbot und Herrenbesuchsverbot war diese Unterkunft eine willkommene Verbesserung meiner Situation. Nur durch eine einfache Tür war ich vom Schlafzimmer meiner Zimmervermieterin getrennt, was zu zumindest akustischem Familienanschluß führte.
Ein Essen auf der Mensa kostete 5 Schilling. Entweder kaufte ich zu Monatsanfang meine Essensgutscheine auf der Mensa und hatte für dieses Monat vorgesorgt oder ich riskierte eine etwas enthaltsamere Periode, um andere notwendige Alltagsgegenstände oder Reparaturen bezahlen zu können. Eine Reparatur eines Schuhpaars mit Bleistiftschuhabsätzen kostete 8 Schilling. Diese Schuhe trugen damals viele junge Frauen.
Mag. pharm. Johanna Staudinger für WGMSG, 21.6.2005