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Beitrag 9 von 192

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PERSÖNLICHE ERINNERUNG:
  • AutorIn: Johann Zauner
  • Geburtsdatum: 4.11.1929
  • Wohnort: Ennsdorf, Niederösterreich
  • Land: Österreich

Schreibende Hand mit Schriftzug DIE DIGITALE BIBLIOTHEK

Johann Zauner

Linzbrücke nichts - Ennsbrücke ist wichtig! (02) / 1945

Der Amstettner Bahnhof, ein Bild des Grauens

Wir fuhren dann sogar noch mit dem Zug über Hieflau, wobei man uns riet, nicht über Amstetten zu fahren, weil dort bereits die Russen wären. Über Steyr konnte man allerdings nicht mehr fahren, weil die Brücke gesprengt worden war. So blieb uns also doch nichts anderes übrig als zunächst nach Amstetten zu fahren, wo sich uns am Bahnhof ein Bild des Grauens bot: der Bahnhof hatte unter den Bombardierungen stark gelitten und war voll mit Kriegsgefangenen aus aller Herren Länder.

Nach einiger Zeit kamen dann russische Soldaten und hielten einigen Franzosen, die aus Nazikriegsgefangenschaft freigelassen waren und auf die Heimfahrt wartetet, ihre Maschinenpistolen vor und nahmen ihnen die Uhren ab. Wir Buben dachten; "Ist denn das möglich? Jetzt haben die miteinander Krieg gegen uns geführt, und jetzt nehmen die Russen den Franzosen die Uhren ab."

"Nix Uhra"

Dann kamen die Russen auch noch zu uns und fragten uns um Uhren. Wir sagten nur "nix Uhra", woraufhin sie einem Kameraden von mir die Stiefel abnahmen. Der Junge hatte nämlich sehr schöne U-Bootstiefel aus Kalbsleder, wattiert und mit einer Korkeinlage. Der Arbeitsdienst hatte in Bad Mitterndorf viel gelagert, zum Beispiel Lkw-Ladungen dieser U-Bootstiefel, andere Ausrüstung fürs Militär, portugiesische Ölsardinen und vieles andere mehr. Nachdem wir schon am Vormittag in Amstetten angekommen waren, mussten wir bis zirka 18 Uhr auf unseren Zug nach St.Valentin warten. Dieser Zug brauchte für die kurze Strecke von Amstetten nach St. Valentin von 18 Uhr bis 6 Uhr morgens.

Der St. Valentiner Bahnhof war nicht zerbombt, aber es lagen dort Reihen von Tornistern, Stahlhelmen, sodass das ganze fast wie ein Soldatenfriedhof aussah. Wir gingen auf der alten St. Valentiner Straße, die heute durch die Autobahn unterbrochen ist, voller Freude Richtung Ennsdorf, und zwar in unseren Arbeitsdienstuniformen. Als wir dann in Aichet waren, kam uns ein Jeep entgegen, und wir erkannten an den Uniformen, dass es sich um Amerikaner handelte. Sie befragten uns über unsere Uniformen, worauf wir ihnen alles erklärten. Daraufhin sagte einer "Moment", ging zu seinem Jeep und kam mit einer Flasche Schnaps und einer Tafel Schokolade zurück, worüber wir uns natürlich riesig freuten.

Festung gegen Osten

Sobald wir aber in Ennsdorf angekommen waren, war es vorbei mit unserer Freude, denn man sagte uns, dass hier die Russen wären. Den Tischlermeister Karl Häntschel hatten sie bereits erschossen, der Gemeindesekretär hatte sich erhängt und viele Frauen waren vergewaltigt worden. Es ging also drunter und drüber.

Einige Nazis mussten auch noch eine Panzersperre wegräumen, denn in den letzten Kriegstagen hatte man Ennsdorf als Brückenkopf gegen die Russen gebaut. Man war ja der Meinung gewesen, die Russen würden früher kommen, sodass man Ennsdorf regelrecht als Festung gegen Osten ausbaute: Laufgräben wurden halbkreisförmig ausgehoben und Geschütze in den Gärten aufgestellt.

Dieser Beitrag ist den Nachkriegserinnerungen von Johann Zauner entnommen, die uns von unserem Kooperationspartner Dietmar Heck zugänglich gemacht wurden.

Johann Zauner war ab 1945 zunächst als Gemeindebediensteter in Ennsdorf tätig, von 1960-1998 war er durchgehend Bürgermeister von Ennsdorf.

Johann Zauner für WGMSG, 26.6.2006

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