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PERSÖNLICHE ERINNERUNG:
  • AutorIn: Helene Schiebel
  • Geburtsdatum: 11.3.1909
  • Wohnort: Leopoldstadt, Wien
  • Land: Österreich

Schreibende Hand mit Schriftzug DIE DIGITALE BIBLIOTHEK

Helene Schiebel

Ich [Aufzeichnungen 03] / ca. 1914

Erste Klasse-Taferlkratzer

Meine Volksschulzeit war also Kriegszeit und von Hunger, Leid und Krankheit gezeichnet. Wir wohnten damals in Kaisermühlen und wo heute der Goethehof steht, ging ich mit meiner Großmutter in der Au Holzsammeln.

"Erste Klasse-Taferlkratzer, 2. Klasse Tintenpatzer" hieß es damals mit Recht, denn wir schrieben in der 1. Klasse auf Schiefertafeln mit Griffeln. Eine Seite der Tafel war mit eingravierten roten Linien - graue und blaue gab es auch - versehen. Das war die Schreibseite. Sie hatte eine schmale Mittellinie und eine breitere Ober- und Unterlinie, ähnlich wie in Stenografieheften, wir schrieben kurrent, erst in der 3. Klasse kam die Lateinschrift dazu, mit Haar- und Schattenstrichen. Unsere ersten Schreibübungen waren "Sägezähne", aus denen sich dann die Kleinbuchstaben, n, u, i, m, n entwickelten. Das t war die kleine Peitsche, das f, die große Peitsche.

Der Tafelrand war aus Holz und mußte immer schön sauber geschrubbt sein, ebenso mußte die Tafel immer schön schwarz sein, ohne graue Wolken. zu diesem Zweck befand sich rechts am Tafelrand ein Loch, durch das Spagat gezogen wurde, an einem Ende war das Fetzerl, am andern Ende, das stets feucht zu haltende Schwammerl befestigt, es durfte nie austrocknen, aber auch nicht tropfen.

Die Tafel mit Spucke zu reinigen, war nur Sache gänzlich mißratener Schüler u. eine große Schande. Wenn man nicht genug darauf achtete, daß Fetzerl und Schwammerl außerhalb der Schultasche baumelten, konnte es leicht passieren, daß man die Aufgabe verwischte, oder gar ganz verlöschte und dann gab es Schimpfer (Schelte) und Tränen. Der Griffel mußte immer schön gespitzt sein und später auch der Bleistift, so daß man sich daran stechen konnte, ach, wie leicht waren diese Spitzen abgebrochen!

Man mußte also stets 2 gut gespitzte Griffel bzw. Bleistifte zum Unterricht mitbringen. Diese Spitzerei war schon eine Schwerarbeit, besonders wenn man keinen Spitzer (sowas hatten nur die begüterten Schüler) oder einen Vater mit einem scharfen Taschenmesser besaß. Da die Väter eingerückt waren, mußte die Prozedur meist mit einem mehr oder weniger scharfen Küchenmesser durchgeführt werden und es gab oft blutende Finger.

Auch das Schreiben mit der Stahlfeder und dem offenen Tintenfaß (Füllfedern gab es noch nicht) hatte seine Tücken. Staub- und Schmutzteilchen in der Tinte erforderten ein Tintenfleckerl, auf dem man die Feder abstreifen konnte, sonst gab es unweigerlich Tintenpatzen (Klexe).

In den Klassenzimmern, sah es auch anders aus als heutzutage. Statt der grünen Buchtafeln gab es schwarze Schiebetafeln aus Holz (oft sehr schwer) oder Leder. - Keine Tische u. Sessel, sondern fix auf den Klassenboden montierte Bänke mit gewölbter Rückenlehne und Klapppulten, die beim Schreiben heruntergeklappt wurden, ich glaube, es gab in den alten Bänken weniger Schüler mit Haltungsfehlern!

"Eins, zwei, drei, die Pause ist vorbei, die Hände auf den Tisch und stumm sein wie ein Fisch!" Fließwasser in den Klassenzimmern gab es nicht, man holte es im Kübel von der Gangwasserleitung (Bassena) herein, sowie auch in den meisten Wohnhäusern. Tafellöschen, Blumengießen, und so fort waren Ehrenämter. Es gab nur reine Mädchen- und reine Knabenschulen. Wir Mädchen trugen alle Schürzen, meist Träger- oder Schlupfschürzen. Auch unsere Lehrerin trug eine schwarze Lüsterschürze und ebensolche Ärmelschützer. Die meisten Kinder und Frauen trugen hohe Schuhe (Knöpfelschuhe, die mit einem eigenem Haken zugeknöpft wurden.)

Helene Schiebel für WGMSG, 23.1.2006

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