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Berta Schumich

Erinnerungen [07]: Die Wurstsemmel / ca. 1945

Ich fand einen Lebensmittelladen, die Verkäuferin war allein. "Eine Wurstsemmel bitte", sagte ich und legte die Marken hin. "Sie kommen aus Wien?" fragte sie und griff nach einer Wurst die da lag. "Ja!" "Dort ist es ja furchtbar, hört man! Diese Hungersnot, es gibt nichts zu essen, nicht wahr?" "Nichts". "Und die Russen haben selber nichts. Sie geben Erbsen mit Würmern, hab ich gehört?" "Nicht mit Würmern, mit Käfern". "Mit Käfern? Die krabbeln und wegfliegen?" Sie schnitt mit dem Messer dünne Scheibchen Wurst und legte sie auf die Waage, sie verströmten einen herrlichen Duft. "Sie fliegen nicht, sie sind tot". "Ja, wie denn das? Was machen sie mit den toten Käfern?" "Kochen, durch die Fleischmaschine drehen und essen, eine Art Erbsenpürree."

Die Waage zeigte nun schon bald die volle Menge meines Wurstanteils. Die Vorstellung von den toten Käfern vermischte sich mit dem Wurstgeruch. "Und sonst, was kann man sonst noch damit machen?" "Schlagobers. Das Kochwasser mit Mehl stauben, etwas Zucker, wenn man hat, oder Saccharin und fest mit dem Schneebesen schlagen." Sie schaute mich misstrauisch an, fühlte sich gefoppt. Mein Wurstlimit war erreicht: "Soll ich sie gleich in die Semmel geben?" Sie wechselte das Thema: "Und das mit den Frauen und den Russen?" "Da habe ich keine Erfahrung", sagte ich und weiter: "Können sie mir sagen, wo ich diese Adresse finde?"

Ich verließ den Laden, aber nun, da ich den Gegenstand meiner Träume, die Wurstsemmel, in Händen hielt, wollte mein Magen nicht mehr. Ich musste lange spazieren gehen, um ihn zu beruhigen. Ob ich einen besonderen Genuss beim Verzehr dieser Semmel gespürt habe, ich weiß es nicht mehr. Ich lieferte meinen Brief ab, der freudig aufgenommen wurde, musste wieder erzählen, bekam ein ausgiebiges Nachtmahl und eine Schlafstelle für die Nacht und nach einem guten Frühstück fuhr ich weiter, meinem Ziel Zell am See entgegen.

Berta Schumich für WGMSG, 11.12.2005

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