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PERSÖNLICHE ERINNERUNG:
  • AutorIn: Walter Skotton
  • Geburtsdatum: 22.3.1942
  • Wohnort: Wien
  • Land: Österreich
  • Unterstützt von: Matthias Staudinger

Schreibende Hand mit Schriftzug DIE DIGITALE BIBLIOTHEK

Walter Skotton

Erinnerungen [03]: Und täglich grüßt das Auswärtsspiel / 1950 - 1959

Das Geräusch des brechenden Nasenbeins war ein sprödes, beiläufiges Geräusch, ein inmitten des erwartungsfrohen Lärms im vollen Stadion aber deutlich hörbares Knacken, bedrohlich garniert mit einem Blutstropfen, der sich unmittelbar nach dem Faustschlag an der Nase des angegriffenen Mannes bildete, genau an der Stelle, wo der gebrochene und verschobene Nasenknochen die Haut durchstoßen hatte.

Ich hatte aus nächster Nähe gesehen, wie die beiden Zuschauer neben mir noch vor Beginn des Spiels aufeinander losgegangen waren, scheinbar ohne Grund, plötzlich und wortlos und mit dunklem und haßerfülltem Blick. Sie waren sofort von anderen Besuchern umringt und voneinander getrennt worden, Trauben von Menschen hingen an ihnen und bewegten sich mit den beiden in einer gefährlichen Choreographie der Verdrängung die Stufen des Stehplatzsektors hinauf und hinunter, bis dieser Menschenknäuel auf der Tribüne des bis auf den letzten Platz gefüllten Stadions wieder zur Ruhe kam und heftige gegenseitige Schmähungen der Gruppen um die beiden Kontrahenten das Ende des Raufhandels einleiteten.

Die Heimspiele des LASK waren damals zum Teil sehr gut besucht, Spiele mit 20.000 oder 25.000 Zusschauern waren keine Seltenheit. Das Spiel LASK gegen Sportklub hatte einmal sogar den Rekordbesuch von 30000 Zuschauern. Viele Fans sind in den 50er Jahren aber noch nicht zu einem Auswärtsspiel ihrer Mannschaft gefahren, von dieser Seite brauchten wir also, die wir ja auf Geheiß des Vaters und da aus Prinzip immer zur Mannschaft halfen, die gegen den LASK spielte, keine Rückendeckung und Verstärkung zu erwarten.

Vielleicht 50, 60 Personen haben wie wir zur gegnerischen Mannschaft geholfen, wir sind aber immer mitten unter den Linzern gestanden, die natürlich alle zum LASK geholfen haben. Als Kind habe ich lange nicht verstanden, warum wir immer für den auswärtigen Klub sein mussten, der ja jedes Mal ein anderer Klub war. Da kann man schon eine kleine sportliche Identitätskrise bekommen, wenn man einmal für den Sportclub, einmal für Kapfenberg und einmal für die Vienna die Daumen drücken muss.

Dazu der Vater, der schon zu Beginn jedes Spiels jede Aktion und jeden Spielzug des LASK ohne Rücksicht auf sich und andere mit lautem Mißfallen begleitete und sich dabei im Lauf des Spiels immer stärker ereiferte, oft bis hin zur Raserei und völligen Heiserkeit. Manchmal spürte ich die Blicke rund um uns, wenn alle verstummt waren und nur wir jubelten.

Eine geistige Opposition dazu hat sich bei mir erst viel später entwickelt. Viel später habe ich dann als der älteste Sohn einmal gewagt, mir einen Lieblingsverein auszusuchen, das war dann Rapid Wien, was aber aus reiner Opposition geschah, ich dachte mir, jetzt suche ich mir einmal einen Verein aus, einen richtigen Lieblingsverein, und das waren dann eben die Grün-Weißen.

Es war auf alle Fälle ein komisches Gefühl, Sonntag für Sonntag auf den Platz zu gehen und sich mit keinem Verein wirklich identifizieren zu können, weil wir immer nur gegen einen Verein sein mussten, nie für einen Verein sein durften, immer nur dagegen mussten wir sein, gegen den LASK. Anfeindungen durch andere Zuschauer waren die logische Konsequenz und so hatten unsere ausnahmslos besuchten Fußballspiele des LASK, obwohl wir in Linz zuhause waren, immer den Charakter eines Auswärtsspiels.

Walter Skotton für WGMSG, 16.11.2005

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