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Uli Makomaski

Kriegsende in Obernalb / 1945

Bild zur persönlichen Erinnerung
Obernalb 1944

Meine Mutter wurde mit Einsetzen der Bombardierung Wiens mit uns beiden Kindern zu einem Onkel meines Vaters nach Obernalb, einem kleinen Ort in der Nähe von Retz, evakuiert. Ich bin Jahrgang 1942, mein Erinnerungsvermögen beginnt offenbar knapp um meinen 2. Geburtstag in Obernalb, noch vor Kriegsende. Dort gab es ein Gerinsel von einem Bach, und ich sehe mich, spielend mit anderen Kindern in der heißen Sonne zwischen ein paar Grasbüscheln am staubigen Bachrand sitzen.

Die Kinder erzählten wichtigtuerisch, dass ihr Papi im Schützengraben sei, vielleicht hat sie, und auch mich, das Wort "Schützengraben" beeindruckt, und ich verkündete ebenfalls, dass mein Papi auch im Schützengraben sei. Meine Mutter hatte das mitgehört und empört erklärt, dass er nicht im Schützengraben sei, sondern bei den WNF; aber die WNF (Wr. Neustädter Flugzeugwerke) waren nicht so beeindruckend wie der Schützengraben.

Mein Vater war zwangsverpflichtet bei den WNF. Im März 1945, ein knappes Monat vor Kriegsende in Österreich wurde er eingezogen, zum "Krieg gewinnen", wie er zu sagen pflegte. Laut seinen Erzählungen mussten die Eingezogenen, weil es keine Gewehre mehr gegeben hat, mit Holzprügel "Präsentieren" und "Schießen" üben. Dann wurden sie in einen Zug gesetzt, der in Mähren, bei Ungarisch-Hradisch, von den Russen in Empfang genommen worden war. Die weitere Reise wurde dann zu Fuß bis nach Rumänien fortgesetzt.

Im Hof meines Großonkels in Obernalb war ein kleiner Blumen- und Gemüsegarten mit silbrig-weißen Rosenkugeln. Wenn man sich unter sie setzte, konnte man sein Gesicht, wie es sich auf den Rundungen lustig in die Breite und Höhe verzog und verzerrte, im Spiegelbild betrachten. Im hinteren Teil des Bauernhofes hatten wir zwei Kammern. Eines Tages, meine Schwester und ich waren allein zu Hause, klopften zwei Männer an die Türe und begehrten Einlass, aber meine damals 8-jährige Schwester vertrieb die beiden lauthals.

Wir hatten eine große, schwarz gestrichene Holztruhe; um uns vor Plünderungen zu schützen, vergruben eines Tages meine Mutter und andere Frauen diese Truhe und auch andere Kisten und Gegenstände hinter einer Scheune. Mein Vater hängte sein Fahrrad in den riesigen Selchkamin.

Von einer Anhöhe aus sehe ich uns den Ort betrachten: Ein Haus brennt; die Flammen schlagen faszinierend schön aus den Fenstern und dem Dachstuhl.

Eines Morgens ist der Hof voll mit Ochsenkarren - die Russen sind da. Meine Mutter - noch heute spüre ich ihre Angst - wagte sich nicht hinaus und schickte meine Schwester über den Hof zum Brunnen um Wasser.

Ein weiteres Bild entsteht wieder vor meinen Augen: Aus dem hinteren Teil eines Weinkellers machen sich Frauen mit uns Kindern den Weg zwischen herumkollernden Weinfässern frei. Ein Mann schwimmt, oder besser gesagt, liegt kopfüber zwischen den zertrümmerten Fässern und Flaschen in einem See aus Wein.

Uli Makomaski für WGMSG, 11.12.2005

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