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PERSÖNLICHE ERINNERUNG:
  • AutorIn: Dietmar Heck
  • Geburtsdatum: 20.7.1940
  • Wohnort: Enns, Oberösterreich
  • Land: Österreich
  • Erstpublikation:
    Dietmar Heck, Mai 2005
  • E-Mail an Autor
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Dietmar Heck

Das Leben an der Demarkationslinie - "Sie kommen aber doch nicht durch" / 14.11.1945

Bild zur persönlichen Erinnerung
Foto: Privatfoto von E. Klein, Enns

Karl Kohut, stadtbekannter Trafikant und Wirt in Enns und Ehegatten Klein stellten sich 1947 dem Fotografen vor einem sonntäglichen Ausflug ins Salzkammergut. Der Waggon trug die Aufschrift U.S. Zone - Österreich - Heimatbahnhof Linz, ein Waggon der nicht die Demarkationslinie an der Ennsbrücke passieren durfte.

Einzig alleine der legendäre "Mozartexpress" durfte als Korridorzug während der Besatzungszeit die Eisenbahnbrücke über die Enns - ohne alliierte Kontrolle - passieren.


Aus der Zeitung "Oberösterreichische Nachrichten" vom 14.11.1945:

Sie kommen aber doch nicht durch
Groteske Szenen bei der Kontrolle auf dem Bahnhof Enns

Wir haben wiederholt gemahnt, von Reisen ohne den viersprachigen Rosa-Paß Abstand zu nehmen. Daß es nichts genützt hat, konnte unser Berichterstatter, den wir nach Enns sandten, feststellen, denn es spielen sich dort Szenen ab, die, wenn sie nicht so traurig wären, geradezu grotesk-lächerlich genannt werden müßten.

In Enns geht die Gendarmerie durch den Zug, weist unerbittlich jeden, der den gültigen Paß nicht hat, heraus und setzt ihn im Wartesaal in Haft. Hier hilft kein Verstecken, hier helfen keine schönen Augen, hier hilft kein Greisenalter, helfen keine mitgenommenen Kinder und keine acht Gepäckstücke.

Es ist in der Regel nicht möglich, einen Zug nach Linz zurück zu erreichen, im Gegenteil, die Leute - wenn es ihnen gelingt! - versuchen nun zur Ennsbrücke weiterzuwandern. Dort aber stehen amerikanische Truppen, die selbstverständlich keinen durchlassen. 70 bis 80 solcher Personen werden täglich in die freie Natur gestellt, denn das kleine, ohnehin überfüllte Städtchen kann natürlich einen solchen Zuzug nicht aufnehmen.

Es bleibt nun der Schlauheit dieser "wilden" Reisenden überlassen, wie sie wieder unter ihr provisorisches oder eigenes Dach kommen wollen. Waren sie bisher schlau genug, durchzukommen, so darf man hoffen, daß sie es auch sind, um zurückzukommen. Leicht haben sie es nicht, das eine ist sicher. In Enns ist für Reisende ohne Paß die Welt zu Ende.

Dabei muß man immer wieder die trostlose Bemerkung machen, daß der Grund der Reisen in Anbetracht der heutigen Verhältnisse geradezu lächerlich ist: weil die Tante in Wien erkrankt ist, reist eine Frau mit einem kleinen Mäderl und acht Riesengepäckstücken ohne Paß nach Wien, obwohl seit Wochen in allen Veröffentlichungen zu lesen ist, daß nicht einmal Plünderungen, beschlagnahmte Wohnungen, Todesfälle und andere wirklich in die familiären Verhältnisse einschneidende Ereignisse den Grund zu einer Reise bilden.

Die Polizei wird aufgeboten, die Amerikaner werden zu einer Riesenarbeit gezwungen, die russischen Besatzungstruppen ebenso, die Eisenbahn wird überlastet und der Erfolg ist: Geldeinbuße, Zeitverlust, Mühe, Strapazen, schwere gesundheitliche Schädigungen und namenloser Aerger.

Und dann wird über alles geschimpft: Ueber die österreichischen Behörden, über die amerikanischen und russischen Besatzungsbehörden, über die Eisenbahn und über alles mögliche andere -, nur nicht über denjenigen, der die verantwortungslose Dummheit selbst begeht. Wir können nur warnen und ermahnen, und das ist wiederholt geschehen und geschieht hier heute zum letztenmal.

Oberösterreichische Nachrichten, 14.11.1945

Der Inhalt dieses Beitrages wurde von unserem Kooperationspartner Dietmar Heck für eine Ausstellung recherchiert, die von Mai - August 2005 auf der oberösterreichischen Seite der Ennsbrücke gezeigt wurde.

Dietmar Heck für WGMSG, 8.6.2006

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