Barockes Schauspiel als erste Erinnerung / Frühling 1927
Meine wirklich erste Erinnerung war der Auferstehungsgottesdienst in der Herz Jesu Kirche. In früheren Zeiten wurde die Auferstehung am Nachmittag des Karsamstages gefeiert. Und die Kirchen waren voll mit Menschen. Mein Vater hielt mich auf dem Arm. Ich mochte etwa drei Jahre alt gewesen sein, älter ganz sicher nicht. Vom heiligen Grab, auf das die Monstranz am Karfreitag übertragen worden war, wurde diese am Karsamstag in feierlicher Prozession wieder auf den Hochaltar getragen. Noch am heiligen Grab erklang das sich immer höher steigende "Alleluja, Christ ist erstanden". Da brauste die Orgel, Weihrauchschwaden schwebten durch den Kirchenraum, und die Ministranten schwangen die Schellen mit ganzer Kraft. Es war ein Rausch von Tönen, Gerüchen und Farben, vor allem von Gold. Ein barockes Schauspiel. Für mich als Kind war es atemberaubend. Dazu muss man bedenken, dass es kein Radio und kein Fernsehen gab. Die breite Masse, die nie ins Theater oder in ein Konzert kam, konnte Musik nur bei Platzkonzerten des Bundesheeres oder eben in der Kirche hören. Daheim wurde bestenfall gesungen
Dr. Wolfgang Sommergruber für WGMSG, 31.5.2005