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PERSÖNLICHE ERINNERUNG:
  • AutorIn: Herbert Dobner
  • Geburtsdatum: 25.9.1941
  • Titel: Hofrat
  • Wohnort: Simmering, Wien
  • Land: Österreich
  • E-Mail an Autor

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Hofrat Herbert Dobner

Ein "typischer" Sonntag im Jahr 1947 / 1940 - 1949

Bild zur persönlichen Erinnerung
Sonntagsvergnügen im Wienerwald

Die Sonntagsvergnügen im Jahre 1947 sahen viel anders aus als heute: Ich erinnere mich daran, dass bei uns zu Hause die Sonntage, wenn schönes Wetter war, in fast immer gleichen Rhythmus abliefen: Wir hatten ein Ausflugziel im westlichen Wienerwald, die "Glasgrabenhütte", ein Wirtshaus, mitten im Wald gelegen (ungefähr dort, wo heute die West-Autobahn nach Auhof den Wienerwald zerteilt).

Meine Mutter stand an so einem Sonntag immer sehr früh auf, um die obligatorischen Schnitzel frisch heraus zu braten, die dann in eine Aluminium-Proviantdose verpackt wurden. Dazu wurde Erdäpfel- und Gurkensalat gemacht, der in den damals üblichen "Einsiedegläsern" (die eigentlich zum Einkochen von Früchten bestimmt waren, die man aber, da sie einen verschließbaren Glasdeckel hatten, auch zum Transport von Salat u.ä. benutzt werden konnten) eingefüllt wurde.

Dann war es an der Zeit für mich, aufzustehen. Nach dem Frühstück, das aus Milchkaffe (der Kaffee war eine LINDE-Kaffeemittelmischung) und Butterbrot bestand, wurde ich wandermäßig (kurze Lederhose) ausgestattet, mein Vater nahm den Rucksack mit den Schnitzeln und den Salaten und auf ging's.

Zuerst fuhren wir mit der Stadtbahn (dem Vorgänger der heutigen U4 Linie von Margareten nach Hütteldorf. In der Stadtbahn konnte man damals noch die Fenster ganz öffnen und ich erinnere mich, dass ich damals immer sehr gerne meinen Kopf aus dem offenen Fenster gesteckt habe (obwohl das ja an sich verboten war) und auch die Eingangstüren schlossen damals nicht automatisch (man musste sie händisch schließen) und waren daher auch sehr oft während der Fahrt offen (heute wäre so etwas undenkbar!).

In Hütteldorf angekommen, ging es gleich auf den Bahnsteig, der in einer Ebene mit der Endstelle der Stadtbahn lag und dort stiegen wir in den sogenannten "Pendler" ein. Das war ein Zug, der aus einer Dampflokomotive und zwei offenen Personenwagons vor und zwei Personenwagons nach der Lokomotive bestand.

Die Lokomotive war in der Zugmitte und bei der Endstelle fuhr der Zug, ohne umzudrehen, einfach in Rückwärtsfahrt wieder zurück. Er pendelte zwischen den Bahnhöfen Hütteldorf und Unter-Purkersdorf hin und her, daher der Name "Pendler". Ich fuhr sehr gerne immer auf der offenen Plattform des ersten Wagons, und war daher sozusagen immer an der Spitze des Zuges (die Lokomotive war ja in der Mitte) und fühlte mich damals daher auch als Lokomotivführer berufen!

In der Haltestelle Purkersdorf-Sanatorium war dann die Zugfahrt zu Ende, und wir gingen über den Wienfluss, der damals noch sehr natürlich floss (und nicht erst naturnah rückgebaut werden musste!) auf einen Berg zum Anton Proksch Haus, das es übrigens noch heute gibt. Dann ging es durch den Wald, für mich als Stadtkind immer ein Abenteuer, um nach ca. einer halben Stunde bei der Glasgrabenhütte anzukommen.

Auf der Wiese vor dem Wirtshaus wurde eine Decke ausgebreitet, die Erwachsenen legten sich in den Schatten, und ich strolchte mit den beiden Mädchen des Wirtehepaars im Wald herum, pflückte herrliche Ribiseln im Garten, sah dem Wirt bei der Benadlung seiner Bienenstöcke zu, staute den kleinen Bach mittels kunstvoll errichteten Wehranlagen auf, spielte Ball oder "Trapper und Indianer" (war aber mit zwei Mädchen nicht wirklich gut spielbar.)

Dann kam die Mittagszeit, da setzten wir uns in den Wirtsgarten, auf einfache Holztische, die Schnitzel und der Erdäpfel- und Gurkensalat wurde ausgepackt, die Erwachsenen kauften sich ein Bier und für mich gab's ein "Kracherl" (das war ein Fruchtgetränk mit viel Kohlensäure und gab es in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Mein Liebling war das "Himbeerkracherl". Nach dem Essen gab es manchmal auch noch ein Stück Torte (wenn die Wirtin gerade eine gemacht hatte) und dann war auf der Wiese Mittagsruhe.

Der Nachmittag verging mit Fußballspielen oder "Abschießen" (zwei Werfer mussten versuchen, die anderen in der Mitte zwischen ihnen mit dem Ball zu treffen, wer getroffen wurde, musste mit dem, der ihn abgeschossen hatte, tauschen) und dabei spielten auch die Erwachsenen mit. Zur Jause gab es wieder ein Kracherl, für die Erwachsenen Kaffee oder das eine oder andere Glas Ribiselwein, der vom Wirt selbst gemacht wurde.

Gegen Abend wurde zusammengepackt, der Rückweg durch den Wald wurde manchmal schon bei Dunkelheit angetreten. Ich erinnere mich noch heute daran, dass mir mein Vater, immer wenn ich im Wald über eine Wurzel stolperte (wahrscheinlich weil ich schon müde oder es schon zu dunkel war) zu mir sagte, dass das sicher die Waldkobolde seien, die nicht wollen, dass sich wer noch so spät in ihrem Wald aufhält und die mir daher das "Haxl stellten".

Mit dem Pendler ging's wieder zurück nach Hütteldorf, um dann wieder in die Stadtbahn einzusteigen. Dabei musste man noch aufpassen dass man in die richtige Garnitur einstieg, es gab damals nämlich schon zwei Linien GD und WD. Die Linie GD (Gürtel-Donaukanal) fuhr nämlich nur bis Meidlinger Hauptstrasse mit der Linie WD gleich, dann bog sie aber auf den Gürtel ab und fuhr bis Heiligenstadt (die heutige Linie U6). Wir mussten mit der Linie WD (Wiental-Donaukanal) fahren, die dann über Margaretengürtel (wo wir ausstiegen) über Karlsplatz, Stadtpark, Friedensbrücke ebenfalls nach Heiligenstadt fuhr (die heutige Linie U4).

Beim Heimfahren in der Stadtbahn waren mir offene Fenster egal, da ich meistens schon aus Müdigkeit einschlief. Dann mussten wir noch ein kurzes Stück zu unserer Wohnung gehen, was mir, da ich ja schon müde war, immer sehr schwer fiel. Zu Haus hieß es noch waschen (es gab bei uns damals kein Badezimmer und auch keinen Durchlauferhitzer, das Waschwasser musste am Gasherd gewärmt werden und meine Füße, die ja sehr schmutzig vom barfuss laufen waren, reinigte meine Mutter mit einer "Reißbürste". Dann ging es müde und zufrieden ins Bett und der nächste Schultag konnte beginnen.

So lief bei uns in der Familie meistens der Sonntag ab, es gab kein Fernsehen, keine Computer, aber viel Bewegung und Erlebnisse, bei denen auch die Phantasie angeregt wurde.

Heute läuft mein Sonntag etwas anders ab (no na!), aber trotzdem möchte ich die Erinnerung an diese Sonntage in der Glasgrabenhütte nicht missen.

Hofrat Herbert Dobner für WGMSG, 21.11.2005

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