Aufgewachsen bin ich im Gemeindebau, im Franz-Domes-Hof in Margareten. Kindheitserinnerungen tauchen bruchstückhaft und ungeordnet auf, werden auch wieder vergessen. Der große Hof mit dem Flachbau des Kindergartens war Spiel- und Tummelplatz aller Hauskinder, aus den Fenstern beäugt von Müttern, Tanten etc. und streng überwacht vom Hausmeisterpaar. Nicht Hauswart, sondern wahrlich Meister des Hauses, respektheischend von Groß und Klein. Sperrklingel drücken und weglaufen - ein beliebter Sport - weh denen, die zu langsam waren.
Manchmal tauchten Fremde im Hof auf; das heißt, eigentlich waren sie nicht fremd - irgendwie gehörten sie dazu. Scherenschleifer und Rastelbinder mit ihrem eigenartigen Singsang trugen ihre Dienste an und obwohl Betteln und Hausieren verboten war, ertönten oft die wehmütigen Weisen eines Geigenspielers mit wohlwollender Duldung der Hausmeisterei. Einige Groschen, in Papier gewickelt, flogen aus den Fenstern, ein Kratzfuß war das Dankeschön.
Das Kinderfreibad bei der U4-Station (heute ein Beachvolleyballplatz) versprach Abkühlung und Spaß in heißen Sommern; erreicht wurde es halbnackt über den Gürtel laufend - ohne Aufsicht! Auch der Schulweg wurde selbstverständlich gehend bewältigt. Beim gemeinsamen Tratsch verflog die Zeit, es gab immer Neues zu sehen, und der Heimweg dauerte oft viel länger.
Dann gab es noch die Schlurfs und die Beisser. Erstere waren harmlos, artikulierten ihren Protest nur durch das Outfit. Den Beissern hingegen wich man als Kleinkind ohne Begleitung Erwachsener besser aus. Das Überschreiten unsichtbarer Reviergrenzen wurde mit der Abnahme von Kugerln, Bällen etc. unter Androhung von Watschen geahndet.
Eines Abends eilte die Nachricht durch den Gemeindebau: Es brennt! Wir Kinder standen mit offenem Mund vor der Synagoge in der Siebenbrunnengasse, Flammen schlugen aus dem Dachstuhl, züngelten aus den Fenstern. Dann die nahe liegende kindliche Frage: Wann kommt denn die Feuerwehr? Gezische der Erwachsenen: Pscht! Seid´s ruhig. Des versteht´s ihr net! Und dies war für die meisten von uns das Ende der unbeschwerten Kindheit.
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