Mandelbaum Verlag, März 2005
In "Höllenangst" hieß es in einem Couplet: "Wenn's Theater nur geht mit der Zeit, dann wird es schon geh'n mit der Zeit". Nun, da waren wir ein bisschen überoptimistisch. Ein neues Publikum musste ja erst einmal gewonnen werden und das alte wurde durch eine grenzenlose Kampagne gegen die Scala, das "Kommunistenpuff", abgeschreckt.
Diese Kampagne spielte sich vor folgendem Hintergrund ab: Wir schreiben das Jahr 1948, seit Kriegsende sind drei Jahre vergangen. DIe Erinnerung an das Konzentrationslager, in dem Sozialisten und Schwule, Zigeuner und Christlichsoziale, Monarchisten, Schwarzschlachter und Kommunisten gemeinsam um ihr Leben zitterten, verblasst langsam. Es hat Wahlen gegeben, bei denen die Kommunisten aus der Regierung geflogen sind, und jetzt kämpfen die Parteien wieder gegeneinander um den Wähler - und miteinander gegen die Kommunisten.
Noch fahren die vier Besatzungsmächte im selben Jeep, aber schon gibt es einen eigenen amerikanischen Sender und eine "russische Stunde" im österreichischen Rundfunk und bald wird ein Schauspieler, der bei dem einen mitwirkt, beim anderen auf einer schwarzen Liste stehen und nie mehr beschäftigt werden. Die Russen finanzieren die angeblich überparteiliche Zeitung "Neues Österreich" und die Amerikaner Friedrich Torbergs Kulturzeitschrift "Der Monat", die einige Zeit später zu einem Boykott gegen Bert Brecht aufrufen wird.
Der Kalte Krieg wird kälter, die Bandagen werden härter, Künstler nicht mehr nach ihrer Qualität beurteilt, sondern nach ihrer Parteizugehörigkeit. Zu diesem Zeitpunkt eröffnet die Scala - und hat es nicht leicht. Viele Zeitungen nehmen sie einfach nicht zur Kenntnis. In den Theaterspielplänen, die sie abdrucken, wird jede Kellerbühne erwähnt; die Scala fehlt. Oder es wird vor dem Besuch des im "gefährlichen" Russenbezirk liegenden Theaters gewarnt.
© Mandelbaum Verlag 2005.
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