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192 persönliche Erinnerungen gefunden

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Beitrag 10 von 192

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PERSÖNLICHE ERINNERUNG:
  • AutorIn: Otto Tausig
  • Geburtsdatum: 13.2.1922
  • Wohnort: Döbling, Wien
  • Land: Österreich
  • Erstpublikation:
    Mandelbaum Verlag, März 2005
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Otto Tausig

"Kasperl, Kummerl, Jud". 01 / 1920 - 1929

Aus dem Kapitel: "Ein Familienbild"

Wenn mein Leben ziemlich beschissen begonnen hat und im Alter doch recht schön wurde, lief das bei meinem Vater gerade umgekehrt.

"Summa cum laude" steht auf dem Pergament, das dem jungen Aladar Tausig bestätigte, daß er nun ein Doktor der Rechte sei mit der Aussicht auf eine bedeutende Karriere als brillanter Strafverteidiger im damals ungarischen Temesvár. Dann brach der Krieg aus. Als fescher junger Leutnant rückte er ein, als unsicherer, durch eine Schussverletzung auf einem Ohr taub Gewordener kam er zurück. Nicht nach Temesvár, das gehörte jetzt zu Rumänien, sondern nach Wien, wo seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft des untergegangenen Österreich-Ungarn wertlos waren.

Zunächst hatte er noch Ersparnisse, konnte für sich und seine junge Frau eine große Wohnung in der Favoritenstraße einrichten mit schönen Möbeln, Perserteppichen etc. Dann aber kam die Inflation und das Geld war weg. Mein Vater hatte die unselige Idee, Geschäftsmann zu werden, wozu er absolut nicht taugte.

Mein Großvater besaß in der Wiener Oberen Amtshausgasse ein kleines Grundstück mit einem Kiosk aus Holz. Der hatte ein Fenster, durch das man auf das Amtshaus gegenüber sah, wo sich Schlangen von Arbeitslosen um ihre Unterstützung anstellten. Dann überquerten viele von ihnen die Straße, um sich bei meinem Vater, der in dem Kiosk Würste anbot, um 17 Groschen eine "Dürre" zu kaufen. Das war die billigste, aber für manche noch viel zu teuer. Und weil mein Vater ein viel zu weiches Herz hatte, verschenkte er die eine oder andere Wurst und am Abend war dann viel zu wenig in der Kassa.

Meine Mutter [...] war schon praktischer veranlagt. Und so gab es Streit, wenn ein weiterer Perserteppich aus unserer Wohnung verschwunden und ins Versatzamt gewandert war. Ich stand immer auf Seiten meines Vaters, aber was wusste ich schon von der Welt? Wahrscheinlich wäre mein Vater in Shanghai viel früher zu Grunde gegangen, wenn meine Mutter ihn nicht durchgebracht hätte, als Putzfrau, Köchin, Apfelstrudelbäckerin etc.

© Mandelbaum Verlag 2005.

Otto Tausig für WGMSG, 28.1.2006

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