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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Wiener Morgenzeitung

14.5.1926

Historisches Logo der Zeitung »Wiener Morgenzeitung«

Ein "kommerzialisierter" Bundesbetrieb.

Wir haben bekanntlich seit etlichen Jahren eine Republik, die - der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe - dekretiert hat, daß die Feiertage auf ein Minimum zu reduzieren sind. Einverstanden. Dann gibt es in dieser Republik noch etwas, mit dem man - wenn's wahr ist - auch einverstanden sein muß. Die Kommerzialisierung der Bundesbetriebe. Sie soll das Heilmittel für die an Defizithypertrophie leidenden staatlichen Unternehmungen sein. Siehe Bundesbahnen!

Das Gremium der Wiener Kaufmannschaft, das für Fragen des Kommerzes wohl kompetent ist, hat erklärt, daß der gestrige Feiertag als normaler Werktag zu gelten habe. Sämtliche Wiener Geschäftsleute haben dem Rechnung getragen und wenigstens am Vormittag ihre Läden und Bureaus offen gehalten. Nur auf der Seilerstätte, inmitten des pulsierenden Geschäftslebens - mit der Uhr in der Hand darf man die Pulsschläge freilich nicht zählen - befand sich gestern so ein kommerzialisierter Bundesbetrieb, die Verkaufsstelle der Staatsdruckerei, im reinsten Dornröschenschlaf.

Nun würde einen das nicht sonderlich aufregen, wenn der österreichische Amtsschimmel, statt laut zu wiehern, fest schnarchen würde; man könnte einfach in eine andere Buchhandlung gehen, wenn die Staatsdruckerei offenbar wegen des allzu guten Geschäftsganges sich denkt: "Nur net ansteh'n drauf". Da hat man aber wieder die Rechnung ohne die sprichwörtliche Wiener Gemütlichkeit gemacht.

Die Staatsdruckerei hat eine Art Monopolstellung und ihre Erzeugnisse sind in den wenigsten Buchhandlungen erhältlich. Da es, man lese und staune, noch immerhin einige Bundesbürger gibt, die sich für Bundesgesetzblätter interessieren müssen, auch an dem Werktag am 13. Mai, so hat sie dieser neueste Schwabenstreich des Bureaukratismus zumindest um einige für sie kostbare Zeit gebracht.

Vielleicht werden im Laufe der Jahre auch unsere Bundesbeamten einsehen lernen, daß sie keine Maurer sind und daß ihr Brotgeber die steuerzahlende Bevölkerung ist, der sie ein Schnippchen nach dem anderen schlage.

Aber bis dahin - "mir ham Zeit".

R. S.

Historischer Zeitungsartikel: Wiener Morgenzeitung, 14.5.1926

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