24.1.1935
Ein Ehemann schreibt uns:
Es muß einmal ein ernstes Wort gegen die Narretei der schlanken Linie gesprochen werden. Will die ausgezeichnete Rubrik "Das Publikum spricht", in der schon so viele gute und ernste Worte über alle Fragen des Lebens gestanden sind, auch einem Mann das Wort erteilen, der die Tyrannei des Wahnsinns satt hat?
Diese Tyrannei ist übrigens das einzige, woran ich mich sättigen kann. Sonst muß ich morgens, mittags und abends hungrig bleiben. Die Mode der schlanken Linie befiehlt und unsereiner muß gehorchen. Nun könnte man annehmen, daß dies eine reine Damenmode sei, die uns Männer nichts angeht. Gefehlt, weit gefehlt! Seitdem meine Frau nicht mehr Gulasch und Palatschinken konsumiert, sondern ausschließlich Kalorien, bin notgedrungen auch ich auf Hungerrationen gesetzt. Ihrer weiblichen Eitelkeit muß ich Suppe und Mehlspeise opfern, das Gemüse kommt ohne Einbrenn auf den Tisch, der Kaffe ohne Zucker, das Leben ohne Freude.
Frauen tauschen ja für diese Entbehrungen andere Freuden ein: die unvergleichlichen Freuden der Eitelkeit. Aber wir Männer? Besonders wir Männer über vierzig, bei denen die Eitelkeit, zumindest die äußerliche, schon keine mehr so entscheidende Rolle spielt, wir kriegen zu wenig oder zu schlecht zu essen, weil unsere Frauen sich kasteien wollen!
Die Zeit, die mit so manchem Unfug aufgeräumt hat, soll, meine ich, auch mit dem Unfug der schlanken Linie ein radikales Ende machen. Schon der Weltruhm der Wiener Küche verlangt, daß man ihre Gaben nicht verachtet und verschmäht und so ist es geradezu eine lokalpatriotische Pflicht, sich redlich zu nähren, wenn man in diesem gottgesegneten Lande bleibt.
Alle vernünftigen Männer sollten sich zusammentun, um die Tyrannei des Magerkeitswahnsinns zu bekämpfen.
A. D.
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