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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Wiener Morgenzeitung

12.5.1921

Historisches Logo der Zeitung »Wiener Morgenzeitung«

Ein Denunziantenwerk in Wien.

Was die "Reichspost" publiziert.

Das Organ der frommen Christen, Staatsretter und Ritualmörder veröffentlicht mit der geziemenden Begeisterung den folgenden Aufruf des Antisemitenbundes:

"Um die Judenfrage im allgemeinen und die Ostjudenfrage im besonderen einer raschen und im Interesse der arischen Bevölkerung gelegenen Erledigung zuzuführen, erblickt der deutschösterreichische Schutzverein Antisemitenbund in der Anlage eines Judennachweises (Judenkataster) für Wien eine Aufgabe, die zunächst gelöst werden muß. Die Anlage eines solchen Nachweises ist einerseits im § 3 der Bundessatzungen des Antisemitenbundes als eines der unerläßlichsten Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes vorgesehen, andererseits derzeit umso notwendiger geworden, als alle in letzter Zeit von amtlicher Seite durchgeführten Volksnachweise (Volkszählungen) keine Angaben über Glaubensbekenntnis und Rassenzugehörigkeit enthalten, daher gerade in dem für uns so wichtigen Punkte unvollständig sind.

Da aber die Anlage eines vollständigen Judenkatasters ohne Mithilfe der arischen Bevölkerung unmöglich durchgeführt werden kann, richtet der Antisemitenbund an die arische Bevölkerung Wiens die Aufforderung, ihm bei der Anlage dieses Katasters tatkräftigst zu unterstützen. Jeder Arier ist in der Lage, in dem von ihm selbst bewohnten Hause eine Hausliste zusammenzustellen, die möglichst folgende Angaben enthalten soll:

  1. Am Kopfe der Liste: Bezirk, Gasse (Straße, Platz usw.), Hausnummer, Türnummer;
  2. Des Wohnungsinhabers: 1. Name, 2. Alter, 3. Geburtsort, -bezirk, -land (alte Einteilung), 4. Beruf, 5. in der derzeitigen Wohnung seit (eventuelle frühere Wohnung mit Zeitangabe), 6. kam nach Wien von (Ort, Land), Zeit, 7. Wohnungsgröße (hat Doppelwohnung, Villa usw.), 8. ist in der Sommerfrische, wo? wie lange? 9. wurde wegen Schieberei, Valutaschiebung usw. abgeschafft (nähere Angaben), 10. wurde sonst irgendwie abgestraft, 11. hat den Krieg mitgemacht (Regiment, Bataillon, Dienst), 12. Kriegsauszeichnungen, 13. Verwundungen im Felde;
  3. Familienangehörige des Haushaltes (Einzelheiten wie bei II. 1 bis 13).
  4. Sonstige Mitbewohner im Haushalt (Daten wie oben).
  5. Anmerkung (sonstige zweckdienliche Angaben).

Selbstverständlich wird nicht jeder in der Lage sein, über jeden der angeführten Punkte Aufklärung geben zu können. Die Ergänzung von unvollständigen Einsendungen wird der Antisemitenbund im eigenen Wirkungskreis erreichen. Es ergeht deshalb an jeden Nichtjuden die dringliche Bitte, durch Einsendung einer Hausliste die in seinem Hause wohnenden Juden bekanntzugeben und dabei möglichst die oben angeführten Angaben zu berücksichtigen. Die Zusendung dieser Listen wird erbeten an den "Antisemitenbund", Wien, 8. Bezirk, Josefsgasse 4 bis 6."

Das ist natürlich kein Terror wie etwa die Evidenzhaltung nichtorganisierter christlicher Arbeiter durch die Sozialdemokraten. Das in dieser Anweisung vorgeschriebene Denunziantentum, dessen Zweck sich jeder lebhaft vorstellen kann, gibt einer ganzen Horde von Frontkämpfern Beschäftigung, die wahrscheinlich "im eigenen Wirkungskreis" der sittlich-religiösen, germanisch-christlichen Schieber bezahlt wird.

Wir fordern alle jüdischen Hausvorstände auf, in jedem einzelnen Falle, wo sie von einer solchen Spionage erfahren, die Polizei anzurufen und allen Auskunftheischenden, die sich nicht entsprechend legitimieren können, die Tür zu weisen. Auch die Hausgehilfinnen sind in diesem Sinne zu belehren.

Historischer Zeitungsartikel: Wiener Morgenzeitung, 12.5.1921

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