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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Wiener Morgenzeitung

26.2.1926

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Sportfanatismus in Graz.

Eine schwere Benachteiligung der Hakoah. - Der Vas im Lager der Hakenkreuzler.

Die Hauptstadt Steiermarks läßt sich keine Gelegenheit entgehen, um ihre antisemitische Gesinnung zu dokumentieren. Erst am Sonntag störten hakenkreuzlerische Radaubrüder eine jüdische Wohltätigkeitsvorstellung und insultierten die Mitwirkenden. Unter dieser Atmosphäre hat selbstverständlich auch der jetzt erstklassige jüdische S. C. Hakoah schwer zu leiden. Man läßt der Grazer Hakoah, dem einzigen jüdischen Verein in Steiermark, den Antisemitismus deutlich fühlen.

Man sollte glauben, daß die Sozialdemokraten, die im steiermärkischen Fußballverband einen wichtigen Machtfaktor darstellen, nicht in dasselbe Horn stoßen wie die sogenannte bürgerliche Gruppe. Der Vas schlägt sich zwar mit dieser Gruppe herum, aber bei dem Programmpunkt "Haut's die Juden!" finden sich beide Parteien sofort.

Trotz allen Schikanen entwickelte sich die Hakoah zu einem mächtigen Verein und zählt derzeit zu den führenden Klubs in Graz. Das paßt eben den dortigen antisemitischen Machern nicht und man bemüht sich von allen Seiten, die Hakoah von ihrer Position zu verdrängen, um den jüdischen Verein zumindest in die zweite Klasse zu bringen.

Die letzte Generalversammlung des steiermärkischen Fußballverbandes brachte wieder den Beweis, daß beide Gruppen mit vereinigten Kräften gegen Hakoah arbeiten. Schon Wochen vorher wurde hinter den Kulissen gepackelt. Hakoah wurde zu keinen Verhandlungen zugezogen und mußte die Generalversammlung abwarten, um dort gegen das Unrecht zu protestieren.

In der Generalversammlung rückten die Herren mit ihrem neuen "Programm" heraus. Der erste Antrag, der eingebracht wurde, lautete:

"Spieleranmeldungen sind nur einmal im Jahre (bis 31. Jänner) entgegenzunehmen."

Dieser Beschluß richtet sich natürlich in erster Linie gegen die Hakoah, die des öfteren im Laufe eines Jahres ihren Gegnern unliebsamen Zuzug aus Wien erhalten hatte. Trotz der heftigen Gegenwehr der Hakoah wurde dieser Antrag mit 20 gegen eine Stimme angenommen. Die Vertreter der Hakoah, die Herren Spiegel und Fischer, sagten es dem früheren Präsidenten, Dr. Bubik, offen ins Gesicht, daß dieser Antrag nur gegen den jüdischen Verein gemünzt ist.

Dr. Bobik (Vas) sagte folgendes: "Ja, meine Herren, Sie haben recht, das ganze ist nur gegen die Hakoah gerichtet!" Vas und Bürgerliche, erklärte er, hatten sich geeinigt, diesen Beschluß unbedingt durchzuführen, um der Hakoah entgegenzuarbeiten. Die sozusagen einstimmige Annahme dieses Antrages zeigte, daß beide Gruppen tüchtig vorgearbeitet hatten. Die Vertreter der Hakoah verließen nach der Abstimmung sofort den Saal. Einige Vas-Vertreter riefen höhnisch aus:

"Vielleicht bringen wir jetzt endlich die Juden in die zweite Klasse!"

So sieht der Sport der Sozialdemokraten aus! Man ging noch weiter. Hakoah war, wie alle großen erstklassigen Vereine, im Vorstand des steiermärkischen Fußballverbandes vertreten. Dieses Mandat wurde der Hakoah entzogen und dem S. C. Sturm dafür zwei zugesprochen. Dr. Bubik erklärte, der Hakoah müsse es "gezeigt" werden. Dieser Herr Dr. Bubik wollte noch vor einem Jahre seinen Verband, wo er Ordnung schaffen will, im Stich lassen, um im Wiener Fußballverbande die bezahlte Stelle eines Generalsekretärs anzunehmen.

Die Wiener Vereine in beiden Lagern verzichteten auf diese "Kraft" und Herr Dr. Bubik kehrte als Apostel der "Reinheit im Sporte" nach Graz zurück. Herr Dr. Bubik drückt beide Augen zu, wenn es sich um den Spieler Kowanda handelt, der beim Grazer A. K. das ganz schöne Einkommen von 350 Schilling monatlich bezog und jetzt einen anderen Verein beglücken will. Der Generalversammlung wohnte als Vertreter des Oesterreichischen Fußballverbandes Dr. Gruder bei. Dr. Gruder ist aber ein Gesinnungsgenosse des Bubik und man kann ja von ihm nicht verlangen, daß er den Juden hilft.

Hakoah wird trotzdem mit aller Kraft weiterarbeiten, um den Gegnern nach ihren moralischen Niederlagen auch sportliche zu bereiten. Dem Oesterreichischen Fußballbunde legen wir aber nahe, sich seine Filiale in Steiermark etwas gründlicher anzusehen.

Emanuel Fiscus.

Historischer Zeitungsartikel: Wiener Morgenzeitung, 26.2.1926

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