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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Die Bombe

1.1.1912

Historisches Logo der Zeitung »Die Bombe«

Rückblick

Das Jahr 1911 war nach dem Kalender ein gemeines Jahr und es hat sich in der Tat oft gemein benommen. Cholera, Teuerung, Krieg, Obstruktion hat es in seinem Schoß geborgen und alle Welt atmet am Silvestertag erleichtert auf. Kann es noch schlimmer werden? Hoffen wir, daß wir das Ärgste überstanden haben. Conrad v. Hötzendorf ist zur rechten Zeit gegangen und da er seine Befestigungen in Südtirol nicht anbringen konnte, ist wenigstens der Friede befestigt.

Das Charakteristischeste an diesem Unglücksjahr war die wahnwitzige Teuerung aller Lebensmittel und der Mieten. Für die Lebensmittel hatte man eine bequeme Ausrede: es gibt zu wenig Vieh in Österreich. Sollte man es glauben? Man sehe sich doch in der nähern Bekanntschaft um, ob es da nicht ein oder das andere Vieh gibt, welches der offiziellen Zählung entgangen ist.

Und warum sind die Mieten so entsetzlich gestiegen? Geht es den Geschäftsleuten so gut? Haben wir so viele Fremde? Das wohl nicht, aber der Wiener selbst wird befremdet, wenn er die heutige Wirtschaft sieht.

Natürlich hat auch das Parlament in diesem Jahr getagt und es hat auch einen großen Erfolg davongetragen: es sind nämlich zwei tschechische Minister ernannt worden. Sonst ist wohl nicht viel geleistet worden, aber in Österreich heißt das eben schon viel. Wie regiert wird, fragt man nie bei uns, sondern immer nur: Wer hat ein Portefeuille?

Allerdings hat man auch eine halbe Milliarde für Wasserstraßen bewilligt, die einem Verkehr dienen sollen, der nicht die Zinsen der Zinsen tragen kann. Aber in Österreich fragt man nicht nach dem Verkehr der Güter, sondern nach dem Verkehr zwischen Ministerium und Parteien. Ist dieser erleichtert, dann dürfen es auch teure Wasserstraßen sein, die ihn besorgen.

Das interessanteste Ereignis im innern Leben des Reiches war die große Niederlage der Christlichsozialen bei den Reichsratswahlen. Man wollte schon an eine Morgenröte des Liberalismus glauben, doch war es nur eine Abendröte kleinlicher Korruption. Nicht der Freisinn hat gesiegt, sondern der Franziskanerkeller ist unterlegen. Bielohlawek und seine Freunde wurden weggeschwemmt, weil man ihnen die Fleischteuerung zuschrieb.

Wenn der Wiener sein Rindfleisch nicht hat, will er von seinen bisherigen Vertretern nichts mehr wissen. Dann beginnen die Chancen des Liberalismus zu steigen. Wenn die Rinder wieder im Preise fallen, kann die alte Partei wieder ans Ruder kommen. Hebung der Viehzucht, hebt auch die Parteizucht.

In Kunst und Literatur hat das Jahr 1911 nichts Bemerkenswertes gebracht. Das Looshaus am Michaelerplatz steht noch immer ohne geputzte Fassade da und jedermann macht einen andern Vorschlag. Wird es geputzt werden?

Herr Loos allerdings kriegt einen Putzer nach dem andern.

Historischer Zeitungsartikel: Die Bombe, 1.1.1912

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