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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Wiener Allgemeine Zeitung

14.4.1919

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Vor Zuzug wird gewarnt!

Ein von der Polizeikorrespondenz veröffentlichtes Communique erklärt heute ausdrücklich und mit einer jeden Widerspruch von vornherein erstickenden Deutlichkeit, daß wir in Wien keine Fremden wünschen. Diese Abneigung gegen fremde Gäste ist heutzutage ohne weiters verständlich und die Gründe eines amtlichen Verbotes ihrer Anwesenheit erklären sich von selbst. Durch vier Kriegsjahre haben wir ohne viel Murren eine Fremdeninvasion ertragen, die mit zu den Kriegsunannehmlichkeiten gehörte. Wir waren nie ungastlich aber heute ist es uns unmöglich Gäste an unseren leeren Tisch zu laben.

Nicht etwa deswegen, weil wir im Kriege mit dieser Art Besuchern nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht haben, sondern weil eben die Lebensbedingungen, unter denen wir heute mühsam existieren, kaum für uns erträglich sind. Wien hungert und verzichtet, neue Leidensgefährten zu bekommen. Wir sind heute nicht mehr die Hauptstadt eines großen Reiches, sondern die Metropole eines armen Landes. Wir müssen uns also begreiflicherweise dagegen wehren, daß noch andere an unserem Hungertuche nagen. Und erst wenn wir selbst wieder in bessere Verhältnisse kommen, wird sich über einen Fremdenverkehr reden lassen.

Den Entente-Kommissionen erwächst aus der Tatsache dieser Flucht aus dem Osten eine neue, nicht leichte Aufgabe. Sie kennt die Gründe, die Flüchtlinge veranlassen mit den nötigsten Habseligkeiten und in vielen Fällen fast ohne Geld, die Grenzen eines Staatswesens zu erreichen, in dem sie ruhiger atmen zu können glauben. Diese Gründe können der Entente nicht gleichgültig sein und müssen an ihr Gewissen rühren. Die Kommissionen Amerikas und Englands versorgen heute einen großen Teil Mittel- und Osteuropas, das ohne ihre Hilfe glatt verhungern müßte. Sie werden jetzt auch für die neuen Hungrigen sorgen müssen, die der Bolschewismus von Haus und Hof getrieben hat.

Wir Deutschösterreicher können für sie nichts tun, da wir selbst nichts haben und unsere Nachbarländer ihre Grenzen sperren, weil sie uns nicht einmal als gelegentliche Besucher sehen wollen. Es obliegt der Entente, einen Weg zu finden, den Flüchtlingen aus Ungarn Asyl und Nahrung zuzuweisen. Sie kann und wird, da sie um unsere Versorgung Bescheid weiß, wohl nicht annehmen, daß wir imstande sind, neue Lasten auf uns zu nehmen.

Bei alledem wären natürlich strenge Absperrungsmaßnahmen oder rücksichtslose Ausweisungen kaum zu empfehlen, da solche Vorkehrungen immer wie ein zweischneidiges Schwert wirken und leicht eine Schädigung unserer eigenen Interessen herbeiführen könnten. Nichts wäre mehr zu beklagen, als wenn Wien auch nur den Schein der Ungastlichkeit auf sich laden wollte. Aber es ist unser gutes Recht zu verlangen, daß in dieser schweren Zeit, da wir selbst hungern, kein Fremder auch nur um einen Tag länger in unserer Stadt verweile, als dies unbedingt notwendig. Wenn wir erst selbst wirklich leben werden, dann werden wir auch die anderen bei uns leben lassen.

Historischer Zeitungsartikel: Wiener Allgemeine Zeitung, 14.4.1919

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