31.1.1936
Wir erhalten folgende Zuschrift:
"Wien, 29. Jänner. Geehrte Redaktion!
Ihr Blatt hat vor einigen Wochen unter dem Titel "Katholische Jugend und Judenfrage" über eine Hetzschrift berichtet, welche vom "Reichsbund der katholischen deutschen Jugend Oesterreichs" verbreitet wird und Beschimpfungen des Judentums und die Aufforderung enthält, jüdische Kaufleute, Aerzte, Advokaten und Zeitungen mit jüdischen Mitarbeitern zu boykottieren.
Als ich heute beim Stephansdom vorbeiging, bemerkte ich eine Menschenansammlung. Als ich näher trat, sah ich, daß auf einer Anschlagtafel an der Mauer des Domes ein Plakat befestigt ist, das alle gegen die Juden gerichteten Stellen aus der von der "Neuen Welt" besprochenen Hetzschrift des "Reichsbundes" in großen Lettern und rot unterstrichen trägt.
Ich gestehe, daß ich im ersten Augenblick meinen Augen nicht traute. Der Stephansdom in dieser Weise mißbraucht! Das österreichische Judentum in dieser Weise beleidigt! Soll da nicht Abhilfe zu finden sein?
Hochachtungsvoll F. K."
Bemerkung der Red.: Wir glauben annehmen zu dürfen, daß dieser wirklich unerhörte Streich der verantwortlichen Leiter des "Reichsbundes" ohne Wissen der zuständigen kirchlichen Behörden erfolgt ist. Wir werden für Verständigung dieser Behörden sorgen und ihnen damit Gelegenheit geben, einen Unfug abzustellen und zu ahnden, der die Ehre der katholischen Kirche unserer Meinung nach schwerer verletzt als diejenige der Juden.
Text der historischen Werbung:
Schiffmann: Weisse Wochen
Das Tagesgespräch Wiens
Wien II, Taborstrasse 48
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