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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Neues Wiener Journal

20.6.1935

Historisches Logo der Zeitung »Neues Wiener Journal«

Fronleichnam auf blauem See

Prozession der tausend Boote. Glockenklang zwischen Bergwänden. Von Augustin.

Am Tage, da Fronleichnam begangen wird, gerät das Salzkammergut in Bewegung. Zwei Orte sind es, Traunkirchen und Hallstatt, wo die Menschen zusammenströmen. Viele von ihnen legen einen beschwerlichen Weg zurück, kommen von weit her. Kommen aus einsamen Gehöften, kommen von ihren entlegenen Arbeitsstätten in den tiefen Forsten, von denen das Land rings grünt und duftet und rauscht. Kommen über Berge her gewandert, fahren auf Straße und Bahn heran. Sammeln sich zu einer festlich frohen Gemeinde, prangen in ihrem Sonntagsstaat, sind schaulustig und erregt, schwärmen in den Gassen umher und blicken aus nach Bekannten, nach Freunden.

Hände werden herzlich geschüttelt in Ueberraschung und Wiedersehensfreude. Genau auf den Tag ist nunmehr ein Jahr her, daß man einander nicht begegenet ist, und ein ganzes langes Jahr wird abermals hingehen müssen, bis man sich wiederum zusammensetzen kann auf einen frischen Trunk und zu einem besinnlichen Gespräch über der Zeiten Lauf. Der Tag, da Fronleichnam begangen wird, ist ein Abschnitt für die Leute im Salzkammergut.

Aber auch Fremde sammeln sich an diesem Tag in Traunkirchen und Hallstatt, Menschen aus den Städten des Landes, aus Wien, aus dem Ausland, die ebenso das seltsame, malerische und ergreifende Schauspiel sehen wollen, wie die Fronleichnamsprozession über den See fährt. Es ist ein altberühmtes Schauspiel, von den Vorvätern übernommen und unangetastet geblieben durch den Wandel der Zeiten hin. Es ist ein Schauspiel, geistlich und weltlich zugleich, eines, das zum Herrn der Welten emporweist in Himmelshöhen und das in seinem ehrwürdigen Brauchtum ein Stück der geliebten Heimat ist, an dem man sich innig erfreut und das man sich tief in die Seele einprägen will, damit das strahlend schöne Bild vorhalte und leuchte durch das kommende Lebensjahr.

Dichtgesäumt sind die Ufer. Ungeduldig und in nicht zu bändigender Neugier drängen die Kinder nach vorn durch die engen Reihen, um alles nur ja recht gut und genau mit ihren heißhungrigen Augen erfassen zu können. Man läßt sie gern gewähren, räumt ihnen den Platz am See, hebt sie auf die Arme, damit ihr Ausblick größer werde und freut sich ihrer hellen, jubelnden Freude. Viele der Kinder sehen das Fest zum erstenmal in ihrem kleinen Leben und sind ganz wirr. Wohin sollen sie schnell den Blick wenden, um nichts zu versäumen von den Wundern, die sich hier vorbereiten? Ihre Fragen stürmen auf die Eltern ein und, nach entschlossener Ueberwindung der Scheu, auch auf die Fremden, auf die schöne Dame oder den Stadtherrn, der eben zunächst steht und ermunternd zulächelt.

Dort, auf der großen Plätte mit den lustigen bunten Fähnlein und den grünen Reisigkränzen, auf der ein Altar aufgebaut ist, werden gewiß die geistlichen Herren Platz nehmen? Und auf den Traunern wird die Feuerwehr sein in ihren blinkenden Helmen und auch die Schützen werden mitfahren? Und wer wird in die unzählig vielen kleinen Boote, die an den Ufern liegen, einsteigen? Ob man wohl mitgenommen werden könnte, wenn man recht schön bittet? Und warum fängt sie nicht überhaupt schon an, die heilige Handlung?

Nun schwingt sich feierlicher Glockenklang von den Türmen der nahen Kirche. Der leichte Wind trägt das Brausen der Orgel an das Seeufer heran, und wie ihre Akkorde anschwellen und verhauchen, glaubt man hier im Sonnenlicht, das über den See hinflirrt und im leisen Wellenspiel zurückgeworfen wird, Schattenkühle und Kirchendämmern zu verspüren. Jetzt verläßt die Prozession die Kirche, bald werden die ersten Fahnen, goldglänzend und seidenschimmernd, die schmale Gasse zum Landungsplatz heranschwanken, hinter ihnen die Schar der weißgekleideten Mädchen mit Blumenkränzen im Blondhaar und die lieben Bübeln, die heute so fromm und brav zu blicken wissen, als würden sie nie wie übermütige Spatzen miteinander herumbalgen, und dann die Musik und der Chor der Sänger und endlich unter dem Baldachin, von Weihrauchwolken umhüllt, der Priester in großem Ornat, der die Monstranz trägt, und seine Assistenz.

Schon naht langsam und gemessen der Zug und es ist alles so, wie man es erwartet hat. Aber wie man seiner nun gewahr wird, dünkt die Prozession schöner, reicher, unwirklicher und traumhafter als man sie in der Erinnerung bewahrt. Das Ufer ist erreicht, die Geistlichkeit, die Honoratioren, die Teilnehmer an der Prozession, Musikanten und Sänger besteigen die vorbereiteten Schifflein, die nun der Reihe nach vom Land stoßen und langsam hinausgleiten auf die spiegelnde Fläche des Sees. Es ist der sozusagen offizielle Teil der Fronleichnamsprozession, der ausläuft.

Ihm folgt der Schwarm der flinken Ruderboote, die sich zu beiden Seiten anschließen und die Prozession auf ihrer Fahrt begleiten. Das wird zu einem wundersamen und erhebenden Bild. Schon liegt ein breiter Streifen Wasser zwischen den Fahrzeugen und der an Land zurückgebliebenen Menge. Unverwandten Blickes folgt dieser der Fahrt und lauscht gespannt. Man hört von fernher die Silberglöcklein der Ministranten, man hört den frommen Gesang und die ehern klingenden Weisen der Bläser. Hoch oben aber in den Bergen krachen die Böller und ihr Echo rollt, vielfach an den Wänden gebrochen, wie das Grollen des Donners.

Ganz weit draußen, der Seemitte zu, fährt nun die Fronleichnamsflotille, als Posaunen und Gesang verstummen und kein Ruderschlag das Wasser schäumend aufwirft. Nur die Silberglöcklein künden, daß der geheimnisvolle Augenblick der Wandlung gekommen ist, aber man ahnt sie mehr, als man sie hört. Die Häupter werden entblößt, man sinkt in die Knie und führt die vorgeschriebenen Schläge der Demut gegen die Brust aus. Damit ist der Höhepunkt der Zeremonie erreicht, die Ruder tauchen ins Wasser und die Boote wenden gegen das Ufer zu. Sie kommen näher, werden größer. Und nun hat man auch wieder ein Auge für die Bergwände, die hinter ihnen aufwachsen und mit dem See und der blauen Wölbung des Himmelsdomes der ewige Zusammenklang eines naturgewaltigen Tedeums sind.

Historischer Zeitungsartikel: Neues Wiener Journal, 20.6.1935

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