31.10.1923
... Die Flüchtlinge, die mit den Münchner Zügen auf dem Westbahnhofe in Wien eintreffen, sprechen die deutsche Muttersprache, haben ihr Leben in Deutschland verbracht, sind durch tausend unzerreißbare Fäden mit Deutschland verwachsen und werden dennoch von Menschen, die sich Deutsche nennen, aus ihrer deutschen Heimat hinausgepeitscht.
Ein unheimliches, mittelalterliches Gespenst, das man im zwanzigsten Jahrhundert eigentlich nur noch im halbzivilisierten Osten Europas vermutet hätte, geistert jetzt bei hellichtem Tage durch die Straße in einer deutschen Stadt: das Gespenst der Judenverfolgung ...
Die Judenausweisungen haben etwa bisher 170 Familien betroffen, und zwar handelt es sich keineswegs nur um Ostjuden, sondern auch um Juden aus der Czecho-Slowakei, aus Österreich, ja sogar aus Preußen und anderen deutschen Staaten. Unter diesen bedauernswerten Menschen, die als "lästige Ausländer" abgeschoben werden, finden sich solche, die seit mehr als zwei Menschenaltern in München gelebt und dort angesehene Stellungen bekleidet haben ...
Dieser Artikel ist auch zu lesen in:
Dokumentation zur österr. Zeitgeschichte 1918 - 1928
(Christine Klusacek, Kurt Stimmer)
Jugend und Volk
WIR GRATULIEREN! MENSCHEN SCHREIBEN GESCHICHTE.
Ein DER LICHTBLICK Projekt.