15.9.1945
Wenn die Wiener in diesen Tagen, da es überall an Brennmaterial mangelt, ihre Stammbäume zersägen könnten, um sich auf ihren "Hausfreunden" oder Kochherden eine Mahlzeit zuzubereiten, so würden sie es sicherlich gerne tun. Aber mit den Stammbäumen, die unter den Nazi so gehegt und gepflegt wurden, läßt sich jetzt nichts mehr anfangen.
Wenn man bedenkt, welche Berge von Papier verschrieben wurden und wieviel Zeit jeder Bürger des Dritten Reiches auf die Sippenforschung verschwenden mußte, so möchte man noch nachträglich die Stammbäume hinaufklettern.
Jetzt kommt aus der Schweiz die Meldung, daß Anfang dieses Jahres bei den verschiedenen Schweizer Amtsstellen von Deutschland aus Anfragen nach angeblichen Zweigen bekannter Schweizer Familien, die sich in Deutschland ansässig gemacht hatten, gestellt worden seien. Diese Anfragen hatten offensichtlich den Zweck, für die nationalsozialistischen Nebenlinien guter schweizerischer Familien irgend eine Gelegenheit zu ermitteln, sie dem drohenden Strafgericht zu entziehen.
Die Zentralstelle für deutsche Sippenforschung in Stuttgart, die natürlich nichts anderes war, als eine mit allem Mitteln der Fälschung und Täuschung arbeitende Stammbaumfabrik der Nazi, konstruierte in dieser Beziehung höchst erstaunliche Zusammenhänge und Abstammungsverhältnisse. So mußte zum Beispiel der Chef der Schweizer Familie Kesselring in der Presse dagegen Verwahrung einlegen, daß zwischen dem deutschen Generalfeldmarschall Kesselring und der Schweizer Familie gleichen Namens sippenmäßige Zusammenhänge bestünden, wie von der Zentralstelle für deutsche Sippenforschung mit einem Male behauptet worden war.
Auf jeden Fall entlarvten die Schweizer Behörden rechtzeitig die schwindelhafte Sippenforschung der Nazi und sorgten dafür, daß ihre Stammbäume nicht in den Himmel wuchsen.
p.k.
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