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In der heutigen Sitzung der Ungarischen Gesellschaft für Kinderstudium hielt der Direktor des Landes-Blindeninstituts Karl Herodek einen Vortrag über die moralische Welt der Taubstummen und der Blinden. Die Neigung zum Diebstahl bei Taubstummen führt der Redner darauf zurück, daß der Taubstumme vor seiner Ausbildung über den Begriff des Mein und Dein nicht im klaren ist. Die Unfähigkeit, Worte zu verstehen, macht in mißtrauisch. Auf die Nachahmung von Aeußerlichkeiten legt er Gewicht und beurteilt den Fremden nach seinem Kleide.

Für edlere Empfindungen ist er nicht unempfänglich; begangene Fehler glaubt er mit einem Bekenntnisse gutzumachen. Die Ursache seiner Reizbarkeit ist darauf zurückzuführen, daß er sich mit seiner Umgebung kaum oder gar nicht zu verständigen weiß. Einen Kunstgenuß empfängt er nur aus dem Geschauten; sein Geschlechtsempfinden ist nichts anderes als das Hörender. Im praktischen Leben zeigt sich der Taubstumme fleißig, verläßlich und nüchtern.

Der Blinde hält sein Gebrechen für ein geringeres als das des Taubstummen. Er findet sich leichter in sein Schicksal, ist lebhafter und redselig. Bei ihm zeigt sich die Neigung zur Lüge. Das lebendige Wort hat über ihn viel Gewalt; doch auch Empfindungen ist er zugänglich und er kann durch richtige Lektüre beeinflußt werden. Er liebt Musik und Gesang, geht gern in Theater und Konzerte, fühlt sich aber nur unter seinesgleichen wohl. Kinder von Blinden, deren Gebrechen nicht durch Blutinfektion verursacht worden ist, haben in der Regel gesunde Sinneswerkzeuge.

Der Redner schloß sodann seinen interessanten und beifällig aufgenommenen Vortrag mit dem Erfahrungssatze, daß Sinnengebrechen die Erziehung der mit ihnen Behafteten zu moralisch vollkommenen Menschen nicht hindern.