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Potemkinsche Dörfer.

Bekanntlich wanderten anfangs April ungefähr zweihundert Oesterreicher nach Sowjetrußland aus, um sich eine neue Existenz zu gründen. Derzeit befinden sich zwei Vertreter dieser Auswanderer in Wien, um einen zweiten Transport für den Monat Juni vorzubereiten. Ihrem optimistisch gefärbten Bericht über die Zustände in der neuen Kolonie widerspricht eine Darstellung, die in einer Donnerstag im Nationalrat eingebrachten Interpellation des Landbundes gegeben wird. In dieser Interpellation heißt es unter anderem:

In Wahrheit fordern die Zustände die schärfste Kritik heraus, weshalb auch von einer weiteren Auswanderung abgeraten werden muß. Bezeichnend ist es, daß schon zirka fünfzig Personen die Kolonie verlassen haben. Der größte Mangel liegt vor allem darin, daß die meisten Auswanderer, die nach ihrem Vertrage bestimmt sind, eine Musterwirtschaft einzurichten, von der Landwirtschaft gar nichts verstehen. So ist begreiflich, daß vor kurzem ein Ochs für einen Stier gekauft wurde, eine Kuh mit einem fremden dazu gestellten Kalb als erstklassige Milchkuh, 50 Stück Hühner, die alt sind und infolgedessen insgesamt höchstens fünf Eier täglich legen.

Die Unterkunftsverhältnisse sind außerordentlich schlecht. In Wien wird von den zwei Emissären berichtet, daß herrliche Bauten ausgeführt werden. In Wirklichkeit dienen Holzbaracken zur Unterbringung der Kolonisten. Während der Regenzeit standen die Bewohner direkt im Wasser; das ruinierte vielen ihre letzten Habseligkeiten. Jetzt sind Sandstürme an der Tagesordnung. Dazu sind die sanitären Zustände ebenso elend. Kein einziger Arzt befindet sich in der Kolonie. Unter solchen Umständen wäre es wohl zweckmäßig, von dem Abtransport weiterer Kolonisten abzusehen.