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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Wiener Morgenzeitung

25.6.1926

Historisches Logo der Zeitung »Wiener Morgenzeitung«

Das Rätsel des Lippenstiftes.

Warum schminken sich die Frauen? Warum benutzen sie heute ganz öffentlich und ungescheut Lippenstift und Farbpuder? Auf diese Frage, die schon so viel erörtert worden ist, gibt eine Dame der englischen Gesellschaft, Lady Laura Troubridge, eine originelle Antwort. "Man sagt uns immer," schreibt sie, "daß die Frauen sich schminken, weil sie in den Augen der Männer schön erscheinen wollen. Aber ist das der wahre Grund? Daß die Dame ein natürliches Dunkelrot ihrer Lippen vortäuschen möchte, wenn sie den Lippenstift handhabt, ist ja ganz ausgeschlossen, denn sonst würde sie es nicht so ungeniert in aller Oeffentlichkeit und in Gegenwart von Herren tun.

Den Männern 'etwas vorzumachen', kann daher nicht ihre Absicht sein. Daß aber den Herren das aufgelegte Rot gut gefällt, ist eine Annahme, die von ihnen selbst beständig widerlegt wird. Unter zehn Männern erklären neun, daß sie 'geschminkte Weiber' nicht ausstehen können. Nun ist es ja möglich, daß sie das 'bloß so sagen', und daß es die Frauen besser wissen, womit sie die Männer anlocken können. Aber die Frauen glauben gar nicht daran, daß sie sich durch das Schminken schöner und jünger machen. Wie könnten sie auch mit dem Lippenstift das blühende frische Rot hervorrufen, das die Natur auf die Lippen junger schöner Menschen malt.

Der wahre Grund liegt viel tiefer, und er allein bringt des Rätsels Lösung. Schminken ist ein Teil von jener ewigen Sucht der Frau nach dem Unerreichbaren, ein mehr sinnbildlicher Wunsch, den Traum von Schönheit zu verwirklichen, den jede Frau im Herzen trägt. Wie sie nach dem fernen Ideal im Theater und Kino, im Roman und Gedicht sucht, so ersehnt sie sich auch die unerreichbare Schönheit, und sie findet in dem Perlenweiß des Puders, in dem zarten Rosa der Schminke und dem Dunkelrot des Lippenstiftes einen schwachen Abglanz ihres Schönheitstraumes. So ist es nur ein kindliches Streben nach dem Unmöglichen. Aber das Leben ist nun einmal aus solchen Illusionen und Surrogaten zusammengesetzt, und so schminkt sich die Frau, um an sich selbst einen Schatten ihres Ideals zu verwirklichen."

Historischer Zeitungsartikel: Wiener Morgenzeitung, 25.6.1926

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