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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Die Neue Welt

23.6.1936

Historisches Logo der Zeitung »Die Neue Welt«

Das Martyrium der Juden in Deutschland

In den letzten Monaten war in der ausländischen Presse wenig über die Lage der Juden in Deutschland zu lesen. Das hat offenbar seinen Grund darin, daß die Presse in Deutschland angewiesen wurde, im Hinblick auf die bevorstehende Olympiade nicht viel über die antijüdische Bewegung in der Partei und die antijüdischen Maßnahmen der Behörden zu berichten.

Daß aber das Martyrium der etwa 480.000 jetzt noch in Deutschland lebenden Juden unter dem Regime der Nürnberger Gesetze keine Abschwächung, in mancher Beziehung sogar eine Steigerung erfahren hat, und daß für die Zeit nach der Olympiade ein neuer antijüdischer Feldzug befürchtet wird, geht aus der nachstehenden Darstellung eines Sonderberichterstatter der Jüdischen Telegraphen-Agentur hervor; diese ruhige und leidenschaftslose Darstellung stützt sich auf eine längere gründliche und unparteiische Beobachtung:

Ueber die wirkliche Lage der Juden in Deutschland dringt in letzter Zeit weniger als je in das Ausland. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß mit Rücksicht auf die bevorstehende Olympiade von Aktionen größeren, nach außen merkbar in die Erscheinung tretenden Stils abgesehen wird. Es kommt hinzu, daß das Netz der Geheimen Staatspolizei immer engmaschiger und somit die Weitergabe von Nachrichten schwieriger geworden ist.

Immerhin läßt sich auch noch bei einer Reise durch Deutschland feststellen, daß der Eifer der untergeordneten Organe der Partei gerade mit Bezug auf die Judenfrage nicht nachgelassen hat. Die wirtschaftliche Existenz vieler Tausender Juden hängt viel weniger von den Richtlinien ab, die das Reichswirtschaftsministerium erläßt, als von dem Fanatismus der hundert und aberhundert Unter- und Unterunterführer.

Der fortgesetzte Kampf, den die radikalen Parteileute gegen Schacht und seine Wirtschaftspolitik führen, erstreckt sich auch auf den jüdischen Wirtschaftssektor, mit dem Zusatz allerdings, daß die Juden in einer weit über die anderen Gruppen hinausgehenden Weise ungeschützt und unverteidigt sind. So gibt es z. B. kein Gesetz, das Juden den Erwerb von Grundstücken oder Häusern untersagte. Aber was nützt das? Mit irgend welchen Verwaltungsmaßnahmen wird das Gesetz vorweggenommen.

In einem Erlaß wird Klage geführt, daß einzelne Stellen im Lande versuchten, der obersten Staatsführung die Lösung des wirtschaftlichen Teils der Judenfrage vorwegzunehmen. Die Nürnberger Gesetze hätten aber das Wirtschaftsrecht der Juden mit Absicht noch nicht geregelt. Es sei keine Rechtsgrundlage vorhanden, die Veräußerung eines Grundstückes als verboten oder nichtig anzusehen, weil der Erwerber Jude sei.

In jüngster Zeit sind sogar Gerichte dazu übergegangen, Entscheidungen von Aemtern zu billigen, die abgewanderten Juden die nötigen Legitimationspapiere wie Geburtsurkunden oder Heiratspapiere verweigern mit der Motivierung, der ausgewanderte Jude könnte die betreffenden Papiere in einem Sinne gebrauchen, der den allgemeinen Interessen des Deutschen Reiches abträglich sein könnte!

Historischer Zeitungsartikel: Die Neue Welt, 23.6.1936

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