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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Die Neue Welt

12.6.1936

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Deutsche Juden nach Italien

Aus Berlin:

Einer eben erschienenen Verordnung des Reichswirtschaftsministeriums ist zu entnehmen, daß der deutschen Regierung an einer Auswanderung deutscher Juden nach Italien sehr gelegen ist. Die Mitteilung bezieht sich auf den Transfer jüdischen Kapitals aus Deutschland nach Italien, für welchen Vergünstigungen gewährt werden, die dem Kapitaltransfer in andere Länder versagt sind. Anders als alle anderen Transferbestimmungen enthalten die Bestimmungen bezüglich des Transfers nach Italien keine Vorschriften hinsichtlich des Exports deutscher Waren als Aequivalent für das im Ausland zur Verfügung gestellte Kapital.

Diese Vergünstigung ist darauf zurückzuführen, daß die deutsche Regierung über große Kapitalreserven in Italien verfügt, die sie weder in bar noch in Rohstoffen oder anderen Gebrauchsmaterialien herausbekommen kann. Die Regierung macht ein sehr gutes Geschäft, da sie für das transferierte Kapital eine Reichsfluchtsteuer einhebt, die in keinem Falle weniger als 25 Prozent der in Italien zur Verfügung gestellten Summe beträgt. Dabei wird die italienische Valuta im Goldstandard berechnet, so daß der Emigrant den Verlust der Lire-Abwertung trägt und auf diese Weise kaum die Hälfte seines Vermögens retten kann.

Unbeschadet dessen nimmt man es als sehr wahrscheinlich an, daß sehr viele deutsche Juden sich die "Vergünstigungen", die für den Italien-Transfer bestehen, zunutze machen werden, um aus Deutschland auswandern zu können. Vorläufig setzt Italien der Einwanderung kapitalskräftiger Juden aus Deutschland keine Schwierigkeiten entgegen. Allerdings werden die Immigranten, falls sie keinen Anschluß an die Wirtschaft in Italien finden sollten, nicht die Möglichkeit haben, ihr Kapital aus Italien in ein anderes Land zu bringen.

Die Aussichtslosigkeit eines weiteren Verbleibens in Deutschland und die Besorgnis, daß nach der Berliner Olympiade weitere Maßnahmen zur wirtschaftlichen Vernichtung der Juden, die vielleicht einer Vermögensenteignung gleichkommen würde, ergriffen werden könnten, weist viele Juden, die noch über etwas Kapital verfügen, auf den Weg des Italien-Transfers.

Der erwähnten Mitteilung des Reichswirtschaftsministerium ist zu entnehmen, daß sich im Verlauf der letzten drei Monate 40 jüdische Familien in Deutschland bei der Reichsbank wegen Ueberweisung ihrer Kapitalien nach Italien registriert haben, wobei die Gesamtsumme der zu transferierenden Kapitalien rund 900.000 Mark betrifft. Weiters erfährt man, daß im Jahre 1935 169 jüdische Familien aus Deutschland nach Italien ausgewandert sind und sich dort seßhaft machten. Man erwartet nunmehr im Hinblick auf die neuen Transfer-Vergünstigungen eine regere Einwanderung deutscher Juden nach Italien.

Historischer Zeitungsartikel: Die Neue Welt, 12.6.1936

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