6.3.1936
Die vom Vorstand der Wiener Judengemeinde in ihrer Aussendung ausgesprochene Vermutung, daß die Streuzettel "Juden, kauft nur bei Glaubensgenossen" aus dem nationalsozialistischen Lager stammen, hat sich bestätigt. Die Polizei ist nach kurzer Zeit des Herstellers habhaft geworden - es ist dies ein Wiener Drucker namens Gustav Fleischer, Mitglied des aufgelösten nationalsozialistischen Gewerberinges.
Obwohl Test und Absicht ganz deutlich auf den antisemitischen Ursprung hinwiesen, hat bekanntlich die "Reichspost" (und mit ihr die antisemitische Gesellschaft) die Möglichkeit, daß diese Propaganda von jüdischer Seite stamme, offengelassen. Wir haben in unserer Ausgabe vom 28. Februar die antisemitische Provenienz der Streuzettel als gegeben erklärt und an die Verdächtiger die Frage gerichtet, was sie denn mit diesem Manöver bezwecken, ob sie gar die Hakenkreuzler in Schutz nehmen wollen.
Nun, die Fälschung ist amtlich festgestellt. Darüber muß man kein Wort mehr verlieren. Aber es beleibt die Variante des Sprichworts, daß nicht nur Lügen, sondern auch Verdächtigungen kurze Beine haben - der "Reichspost" ins Stammbuch.
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