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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Die Neue Welt

14.2.1936

Historisches Logo der Zeitung »Die Neue Welt«

Wir nehmen den Kampf auf!

Die nationalsozialistische Partei Deutschlands benützte die Beisetzung ihres erschossenen Landesleiters für die Schweiz, Gustloff, zu einer Manifestation, die durch eine Ansprache Hitlers über den Rahmen einer Leichenfeier hinausging. Berliner Meldungen besagen:

Hitler begann mit dem Zusammenbruch von 1918, für den er zunächst nicht näher bezeichnete "überstaatliche Mächte" verantwortlich machte, und erwähnte dann den Geiselmord in München, erinnerte an die 300 Gefallenen der Bewegung und sagte, auf der Seite der Gegner des Nationalsozialismus liege jedoch im Gegensatz zu diesen Opfern nicht ein einziger Toter vor. Nicht ein einziges Attentat ist von seiten des Nationalsozialismus verübt worden.

Hinter jedem dieser Morde stehe dieselbe Macht, die haßerfüllte Macht unseres jüdischen Feindes, dem wir nichts zuleide getan haben, die verantwortlich ist aber für alles Unglück, das Deutschland heimgesucht habe. Zu diesen Toten der Bewegung ist nun ein neuer gestoßen; wieder ein Mann, der nichts anderes tat als seine Pflicht. Da man keinen deutschen Volksgenossen für solche Verbrechen gewinnen konnte, so sei hier zum erstenmal ein Träger dieses Verbrechens selbst hinausgetreten. Wir begreifen die Kampfansage und greifen sie auf!

Man weiß wirklich nicht, worüber man mehr staunen soll: über den Zynismus, mit dem Hitler von den zahllosen hakenkreuzlerischen Morden nichts wissen will, oder über seinen Mut, zu glauben, es gäbe irgendwo in der zivilisierten Welt naive Gemüter, die seine Entrüstung ernstnehmen. Das einzige, woran wir uns, ohne in einen psychologischen Fehler zu verfallen, halten können, ist das Wort "Kampfansage".

Die Kampfansage Hitler-Deutschlands an das jüdische Volk datiert allerdings nicht vom aktuellen Anlaß des Davoser Attentates. Sie ist so alt wie der Hitlerismus selbst und sie ist so frisch wie am 1. April 1933, da die Machthaber des eben etablierten Dritten Reiches die beginnende jüdische Abwehr mit dem scheußlichen Boykott-Terror beantworten. Seither hat der Kampf selbst keinen Augenblick geruht. Er hat verschiedene Formen angenommen, aber im wesentlichen war es die ganze Zeit hindurch ein zähes Ringen, das auf der hitleristischen Seite mit Lüge, Erpressung, Verleumdung, Knüppel, Kerkerhaft, Revolver und Handbeil geführt wurde.

Es ist darum widersinnig zu behaupten, daß der Nationalsozialismus den Mord als politisches Kampfmittel nicht kenne. Die Anhänger Hitlers würden über die Zumutung, daß von der nationalsozialistischen Warte aus ein kleines Fememördchen verpönt sei oder daß die Horst-Wessel-Strophe "Wenns Judenblut vom Messer spritzt" nur lyrischen Wert habe, geradezu entsetzt sein.

Es gab eine Zeitlang in allen Lagern, natürlich auch im jüdischen, Stimmen, die von einer Versöhnung zwischen Judentum und Nationalsozialismus auf einer höheren Ebene sprachen; von der Möglichkeit einer Milderung der Gegensätze nach vollzogener volklicher Trennung ... Dieser Optimismus hat keinerlei Basis mehr.

Auch die Tatsache, daß wertvolle Persönlichkeiten und Gruppen, die sich für eine Wendung im Judenschicksal nicht verantwortlich zu fühlen haben, den Abscheu vor dem Hitlerismus in alle Welt schreien, kann uns nicht die kämpferische Auseinandersetzung mit ihm ersparen.

Thomas Manns Feststellung zum Beispiel: "Der deutsche Judenhaß aber, oder derjenige der deutschen Machthaber, gilt, geistig gesehen, gar nicht den Juden oder nicht ihnen allein, er gilt Europa ..." bezeugt zweifellos tiefen Einblick in die nationalsozialistische Geistesverfassung. Aber solch eine metaphysische Betrachtung bringt diejenigen, denen das Stück Brot vor dem Mund weggerissen werden soll, um keinen Schritt weiter.

Die Kampfansage ist gefallen, wir nehmen den Kampf auf. Keine Frankfurters und keine Gustloffs werden ihn entscheiden. 15 Millionen Juden sind entschlossen, sich dem schändlichen Haß des deutschen Hakenkreuzes entgegenzustellen - in einzigartiger Schicksalsgemeinschaft, und den Kampf, so lange zu führen, bis er in ihrer vieltausendjährigen, an Heldentum nicht armen Geschichte zu einer - Episode geworden ist.

o.r.

Historischer Zeitungsartikel: Die Neue Welt, 14.2.1936

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