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Wien, 9. Juni.

Mittel am Tage leuchtet es auf: rot, grün oder gelb. An der berühmten Opernkreuzung, unweit der noch berühmteren Sirk-Ecke. Es dient aber keineswegs der Romantik, die sich damit, wie man glauben könnte, im nüchternen Wirbel der Großstadt ein sichtbares Denkmal geschaffen hätte; nein, es soll im Gegenteil der Romantik der Technik Einhalt tun. Die Technik muß hier für einen Augenblick auf einen ihrer Fortschritte verzichten, um einem anderen Platz zu machen. Die Autos und die Trams müssen stehen bleiben, obwohl sie unentwegt rasen könnten, weil die Menschen eingesehen haben, daß sie sich nicht unbedingt auf dem Altar des technischen Fortschrittes sinnlos opfern lassen müssen.

Es ist wirklich ein Zeichen gesünderer Entwicklung, wenn der "Fortschritt" ein wenig in vernünftige Bahnen gelenkt wird. Das Paradoxe und Interessante daran ist, daß er immer wieder aus sich selbst heraus sich hemmen und regulieren muß. Die verkehrsordnende und lebensrettende Lampe bei der Oper ist ja auch eine Erfindung der Technik. Sie ist auch unmittelbar lebensfördernd. Leider wird man die Opfer, die sie retten wird, die sie verhindern wird, nicht zählen können.

In New-York hat man an einem der verkehrsreichsten Plätze ein Denkmal für die Hunderten der Verkehrsopfer auf diesem Platz als Warnung aufgestellt; in Wien gibt es sicherlich weniger Unglücksfälle als in New-York; das Zauberlicht, das Vorsichtsmaßregel und Warnung zugleich ist, ist aber trotzdem eine begrüßenswerte Verschönerung der Sirk-Ecke. Eine hochmoralische... Eine Seltenheit in dieser Gegend.