26.4.2006
13.4.1956
Noch vor wenigen Jahren mußte Österreich per Flugzeug hunderttausende Rassekücken aus westlichen Ländern importieren, um seine Hühnerzucht aus der Nachkriegsstagnation zu erwecken. Heute haben die hundertdreißig österreichischen Zuchtbetriebe den Vorsprung des Auslandes aufgeholt. Zurzeit wird mit Italien wegen des Exports österreichischer Rassekücken verhandelt.
Die Züchtung hochwertiger Rassehühner geht nach strengen Regeln vor sich. Über jedes Ei wird Buch geführt. Die Abstammung der einzelnen Zuchthühner kann bis zu ihren amerikanischen Ur-Vorfahren zurückverfolgt werden. Die Rassehühner werden ihr ganzes Leben hindurch ununterbrochen getestet und geprüft. Wenn sie eine der strengen Gewichts-, Lege- oder Gesundheitsprüfungen nicht bestehen, droht ihnen der Suppentopf.
Die Brütereien sind durch gesetzliche Bestimmungen verpflichtet, ihre Bruteier von den gewerbsmäßigen Zuchtbetrieben, zu beziehen. Dadurch sind die Geflügelseuchen stark zurückgedrängt worden. Die Eierproduktion in Österreich ist von sechshundert Millionen im Jahre 1950 auf neunhundert Millionen im vorigen Jahr gestiegen und wird vielleicht heuer schon eine Milliarde erreichen.
Die Zuchtverbände meinen, daß die Qualitätssteigerung noch viel schneller vor sich gehen könnte, wenn sich der Eierpreis nicht nach Stück und Größe, sondern nach dem Gewicht der Eier richten würde.
Diese Umstellung des Verkaufssystems würde die Eierproduzenten zu größerer Sorgfalt bei der Auswahl des Nachwuchses im Hühnerhof veranlassen. Sie läge auch im Interesse der Konsumenten.
Wenn es Hühnerpsychiater gäbe, so hätten sie schon längst feststellen müssen, daß die Hennen von Jahr zu Jahr unglücklicher werden. Es ist kein Zweifel, daß ihnen etwas Wesentliches abgeht: Sie dürfen zwar das karg bemessene, nach Rassegesetzen gelenkte Liebesleben konsumieren und Eier legen - aber das Brüten hat sich praktisch aufgehört.
Die Brutmaschinen sind viel rentabler und verläßlicher. Brütende Hennen legen keine Eier, Brutapparate jedoch verursachen keinen Produktionsausfall. Die "elektrische Glucke" produziert ununterbrochen die optimale Temperatur von 37.777 Grad Celsius. Die Schlüpftermine können daher genau berechnet werden. Im allgemeinen lassen die Brutanstalten die Kücken am Donnerstag schlüpfen, weil sie so den Versand am besten einteilen können.
Nach einundzwanzig Tagen Brutzeit haben die "Pipihenderln" vierundzwanzig Stunden Zeit, um sich aus ihrem Kalkgefängnis zu befreien. Das Schlüpfen, das von außen so hübsch aussieht, ist ein erbitterter Kampf auf Leben und Tod. Das Kücken kämpft mit allen seinen Kräften und legt damit seine Tauglichkeitsprobe ab.
Ein Henderl, das den Eipanzer nicht sprengen kann, ist lebensuntüchtig. Niemand hilft ihm. Wenn es aber das schwere Werk vollbracht hat, steht es triumphierend, feucht und verwuzelt auf seinen Beinchen und verwandelt sich innerhalb weniger Stunden in eine flaumige Goldkugel.
Die am Donnerstag geschlüpften Henderln haben nun sechs Monate ein herrliches Leben vor sich, in denen sie nichts als zu fressen, zu schlafen und zu wachsen brauchen. Dann aber heißt es entweder arbeiten, nämlich strengt nach der Norm Eier legen - oder es geht ins Backrohr.
WIR GRATULIEREN! MENSCHEN SCHREIBEN GESCHICHTE.
Ein DER LICHTBLICK Projekt.