10.12.1926
Nicht jeder treue, vierbeinige Begleiter und beste Freund des Menschen hat es so gut wie der dahingegangene Hund des Berufsjägers, dem in den meisten Fällen sein Herr "im grünen Tann" ein würdiges Ruheplätzchen schafft, wo "Treff", "Hirschl", "Söllmann" oder "Waldl" von ihren jagdlichen Strapazen im ewigen Schlafe ausruhen, über sich kein steinern oder erzernes Denkmal, aber umgeben vom Denkmal, das die Mutter Natur ihnen gewidmet, ein richtiges Milieu ihres bescheidenen, spartanischen Lebens.
Aber auch der Städter sorgt gerne für den heimgegangenen treuen Genossen - in seiner Art! Meist in der weiten, melancholischen Ebene, außerhalb der großen Städte, liegt der Friedhof der Hunde. Eine Gefühlsverirrung? Falsch angewandte Pietät? Seien wir vorsichtig in der Wertung des Tierkadavers! Gewiß, wir kaufen uns Hunde, wir verkaufen solche, sie sind Handelsobjekt. Aber sie schenken uns, sie verschenken sich an uns, ohne zu wissen, daß sie gekauft sind, ihren Körper, ihre Seele, Liebe und Treue bis ans Grab.
Betreten wir so einen Hundefriedhof! Zögernd schweift unser Blick umher, es sträubt sich etwas in uns, diese vielen kleinen Hügelchen ernst zu nehmen. Befangen in religiösen Gedankengängen, wollen wir einen Kult nicht verstehen, der mit toten Hunden getrieben wird. Doch je länger wir dahinschreiten, kommt uns langsam das Verständnis, bis wir ihn endlich doch verstehen. Langsam gehen wir durch die Reihen.
Ueberall Tafeln und Steine mit Inschriften: "Hektor mein treuer Begleiter" - "Luxl, treuer Freund vieler Jahre" - "Waldl, einziger Freund meiner Einsamkeit" - usw. Da und dort eine Einfriedung der winzigen Stätte, ein Fichtenbäumchen, eine Handvoll Blumen. Auf einem echten Marmorsteine die goldene Inschrift und der Adelsname eines wertvollen Edeltieres, auf einem anderen die Photographie aus Porzellan. Ein blasses Mädchen jätet Unkraut vom Grabhügel ihres Lieblings. Ein alter Herr, verdrossen und eckig, steht unbeweglich auf seinen Stock gestützt. Ein verblühtes Fräulein, gegenwartsfremd, zerknittert ihr Taschentuch.
Und da kommt uns ganz plötzlich das Verständnis! Da fühlen wir, wie unsere anfängliche Auflehnung gegen moralische Bedenken wankt. Wie sie sich sänftigt, wie wir langsam aber sicher einzudringen vermögen in die schweigsame Trauer dieser "Hinterbliebenen". Wir fühlen - wir wissen nunmehr, nicht der Hund, die hilflose Kreatur, hatte diese Menschen nötig. Nein" diese Menschen, vielleicht einsam, verlassen, hatten den Hund nötig. Meist verkannt, gescheitert in den Idealen, einsam, verbittert, irre geworden an den Mitmenschen, fanden sie Zuflucht beim Hund!
Als er ihnen in stummer Güte die Hände leckte, als er sie anblickte mit seinen klugen, treuen Augen, als er in fanatischer Dankbarkeit schweifwedelnd, an ihnen emporsprang, als er sich freute mit ihnen und trauerte mit ihnen - da war er, der Hund, die Erfüllung des Evangeliums der Liebe. Er fragte nicht nach Reich noch Arm, nach Schön oder Häßlich, nach Macht oder Geringheit - nein, er fragte nur nach Güte! Bei ihm war Ausruhen, Geduld - Vertrauen. Er war stets bereit, Frohsinn zu teilen, Betrübnis, Kummer, Schmerz mitzumachen, mitzuertragen. Man konnte früh mit ihm herumtollen, nachts die Stirn an seinen Leib legen und weinen. Er war dazu stets bereit - kein verständnisloses Stück warmes Fleisch - o nein - in stetem Verstehen, Mitfühlen.
Es sind fast nur Einsame, Enttäuschte, welche bei den Hunden Zuflucht nehmen. Sie finden Trost in ihren schuldlosen Augen; sie finden in ihnen das Urgeheimnis der Liebe, das Wunder der Treue, das Märchen der Dankbarkeit! Und manchmal hiedurch die Kraft, trotz allem auch die Menschen zu lieben. Und da gibt es noch Menschen, die der Friedensstätte spotten, wo jene ihre Lieblinge bestatten? Vielleicht öffnen ihnen diese Zeilen die Augen, dann ist ihr Zweck erreicht.
Perkenstein.WIR GRATULIEREN! MENSCHEN SCHREIBEN GESCHICHTE.
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